12 Gelübde — Gemeinde, Gemeindeordnungen.
Gelübde (votum) ist nach katholischer Auffassung das Gott selbst geleistete
Versprechen, ein frommes Werk zu thun, zu welchem man an und für sich nicht
verpflichtet, dessen Leistung aber Gott wohlgefälliger, als die Unterlassung ist. Das
votum ist personale, wenn eine blos den Gelobenden selbst betreffende Handlung,
wodurch dieser sich unmittelbar bei Gott ein Verdienst erwerben will (also z. B.
Beobachtung lebenslänglicher Keuschheit, Ausführung einer Wallfahrt), reale, wenn
eine Leistung zu einem frommen Zweck (Erbauung einer Kapelle, Stiftung eines
Meßstipendiums) versprochen wird. Das nur im Stillen geleistete, nicht in die
äußere Erscheinung getretene votum verpflichtet den Gelobenden nur im Gewissen.
Das öffentlich abgelegte votum personale wurde dagegen früher durch Verhängung
von Censuren gegen den Votanten zur Realisation gebracht, während nach der
neueren Praxis der katholischen Kirche darauf nur im Beichtstuhl hingewirkt wird.
Hinsichtlich des votum reale hat das Kan. R. die Römischen Grundsätze von der
pollicitatio zur Anwendung gebracht, so daß sowol der Votant selbst, als auch
seine Erben auf prozessualischem Wege zur Erfüllung angehalten werden können.
Eine eigenthümliche Wirkung hat endlich das schlechthin sog. votum solemne, d. h.
das Keuschheitsgelübde, welches bei der Profeßleistung in einem vom pöäßpstlichen
Stuhl approbirten Orden oder beim Empfang eines höheren ordo abgelegt wird;
hier ist die diesem zuwider versuchte Ehe nicht nur unerlaubt, sondern nichtig, während
diese letztere Folge bei einem anderen derartigen votum (sog. simplex), mag es auch
in noch so feierlicher Form abgelegt sein, nicht eintritt. Die Nothwendigkeit der
Erfüllung des G. kann beseitigt werden 1) durch irritatio, d. h. durch Nichtigkeits-
erklärung, wenn dasselbe von nicht vollkommen selbständigen Personen ohne den
nöthigen Konsens, von Unmündigen ohne den des Gewalthabers, von Ordensleuten ohne
den des Oberen, von einem Ehegatten (bei konsummirter Ehe) ohne Einwilligung des
anderen Theiles geleistet ist; 2) durch Dispensation, welche im Allgemeinen dem
Bischofe, ausnahmsweise beim G. der Keuschheit, der professio religiosa (des Ein-
trittes in einen Orden), der Wallfahrt nach Rom und S. Jago de Compostella,
sowie beim votum ultramarinum (Wallfahrt nach Jerusalem) dem Papste zusteht.
Mit der Dispensation kann eine commutatio voti, d. h. die Umwandlung des ur-
sprünglich versprochenen in ein anderes gutes Werk verbunden sein; diese letztere ist
indeß auch ohne Dispensation, sofern nur letzteres verdienstlicher, als das erst gelobte
ist, unter Zustimmung des kirchlichen Oberen gestattet. — Nach evangelischem
Kirchenrecht hat allein das votum reale bindende Kraft. Auf demselben Stand-
punkte steht das heutige Gem. Civilrecht. Dagegen hat dem G. jede civilrechtliche
Wirkung das Oesterr. BGB. indirekt, das Sächs. BGB. ausdrücklich abgesprochen,
während das Preuß. LR. dem votum reale zwar gegen den Votanten selbst die
Kraft nimmt, aber die Vermuthung aufstellt, daß der Erblasser, welcher mit der
Erfüllung vor seinem Tode begonnen hat, die Erben zur Vollendung habe verpflichten
wollen. Ueber die civilrechtliche Wirkung des votum castitatis solemne auf bürger-
lichem Gebiet s. die Art. Cölibat und Orden.
Quellen: Tit. X. de voto III. 34; eod. III. 15; Extrav. Joann. XXII. eod. (6);
8 X. de cens. III. 39. — Preuß. LR. I. 5 § 5. — Oesterr. BGB. §§ 857 ff. — Sächf.
30#. 8 770.
Lit.: F. Suarez, De juram. et w0, Mogunt. 1609. — C. F. Jäger in Herzog's
Neal- „Eneyklopädie f. Theologie, 1. Aufl. 4, 771. — Wiese, Von G. im Krangh Fuue Berl.
inschius.
Gemeinde, Gemeindeordnungen (Th. I. S. 866 ff. u. S. 897 ff.).
I. Begriff und Arten der G. Unter G. im weitesten Sinne versteht man
jede politische Körperschaft, welche auf einem bestimmten Bezirke des Staatsgebietes
für örtliche Gemeinschaftszwecke besteht. Man unterscheidet politische G., welche
in analoger Weise wie der Staat den menschlichen Gemeinschaftszweck schlechthin