Kindesmord. 453
zusammenhängt, noch fortdauerte. Mit letzterem ist der Gesichtspunkt bezeichnet, der
im Zweifel überall als maßgebend zu betrachten ist. So auch dem RStrafG. gegen—
über (anderer Meinung: v. Holtzendorff). — Auch bei einer später erfolgten Tödtung
des Kindes kann übrigens selbstverständlich die Schuld als eine ebenso geminderte
wie beim eigentlichen K. erscheinen. Nur daß die meisten Gesetze eine entsprechende
Behandlung nicht zulassen. Anders das RStras G., welches hier sogar einen niedri-
geren Minimalsatz (§ 213 i. k.) hat! — Indem die Gesetze sich bei der Bezeich-
nung der Handlung meist der gleichen Ausdrücke bedienen wie bei den übrigen
Tödtungsverbrechen („tödtet“, „ums Leben bringt“ 2c.), schließen sie (dem Wortlaute
nach) wie bei diesen reine Unterlassungen aus. Indessen dürfte sich eine ausdehnende
Interpretation dieser Ausdrücke an dieser Stelle rechtfertigen lassen, kraft welcher die
der Geburt selbst vorangehenden und für den Eintritt des Erfolgs entscheidenden
Handlungen, wie z. B. gegebenen Falls die Herbeiführung einer hülflosen Nieder-
kunft, bei der Frage ob ein „Tödten“ rc. (im Gegensatze zu einem bloßen Nicht-
retten) vorliege, mit in Betracht zu ziehen sind. Einige Gesetze haben mit Grund
die Unterlassungen hier besonders berücksichtigt (vgl. Oesterreich, Oesterr. Entwurf,
Hessen). Die Praxis zaudert im Allgemeinen nicht, unter die fraglichen Ausdrücke
auch bloße Unterlassungen zu subsumiren.
In subjektiver Hinsicht wird meist rechtswidriger Vorsatz gefordert. In
Betreff des kulposen K. hat es danach bei den allgemeinen Grundsätzen über kulpose
Tödtung sein Bewenden. Einige Gesetze haben indeß für den durch Veranstaltung
einer hülflosen Niederkunft bewirkten fahrlässigen K. besondere Bestimmungen
(s. unten). — Hinsichtlich des dolosen K. unterscheiden einige Gesetze (Sachsen,
Baden, Württemberg, Braunschweig, Hessen, Thüringen, Belgien) den Fall, wo der
Entschluß vor der Niederkunft gefaßt wurde als den schwereren von demjenigen, wo
dies erst während oder nach derselben geschah. Ob das unbedingte Hierherziehen
auch des ersteren Falles sich rechtfertigen lasse, darüber vgl. Hälschner. — Ge-
minderte Zurechnungs-(Unterscheidungs-) Fähigkeit ist ein wesentliches Merkmal dieser
Verbrechensart, wird aber kraft legaler Fiktion als mit den Merkmalen der den
Artikel einleitenden Definition von selbst gegeben angesehen.
Die Strafe übersteigt, was die Tödtung des unehelichen Kindes betrifft,
zeitliche Zuchthaus= (Kerker-) Strafe nicht. Das NRötrasf G. schreibt bei Vor-
handensein mildernder Umstände ein Herabgehen auf Gefängniß nicht unter zwei
Jahren vor.
Das Gem. Recht stellte die Heimlichkeit der Niederkunft und Tödtung als ein
Erforderniß des K. auf. Die neuere Gesetzgebung hat dasselbe fallen gelassen, be-
rücksichtigte jedoch zum Theil die absichtlich heimliche und hülflose Niederkunft in
besonderen Bestimmungen. Dabei ward sowol des Falles gedacht, wo die Absicht
auf Tödtung (Württemberg, Braunschweig: oder Aussetzung) geht, wie desjenigen,
wo eine solche Absicht nicht vorliegt. Oesterreich bedroht polizeilich die Unterlassung
1) des Herbeirufens entsprechender Hülfe; 2) der Anzeige einer unglücklichen Nieder-
kunft. Zürich hat ein besonderes Delikt der Beseitigung des Kindes. Das RStrafG.
bedroht nur das heimliche Beiseiteschaffen eines Leichnams (§ 367, 1). —
Ob es nothwendig bzw. zweckmäßig sei, den K. als eine besondere Ver-
brechensart zu behandeln, ist fraglich. Die Gründe, welche faktisch zu solcher Be-
handlung desselben geführt haben (s. oben), erweisen sich bei näherer Prüfung nicht
oder jedenfalls nur insofern als stichhaltig, als bei Mord und Todtschlag für eine
Berücksichtigung der Motive zur That und der Einschränkungen der Zurechnungs-
(Unterscheidungs-) Fähigkeit genügender Spielraum, wie freilich fast überall, nicht
gegeben ist. Vgl. d. Art. Tödtungsverbrechen.
Gsgb.: RStraf G. § 217. — Oesterreich § 139. — Ungärn § 284. — Belgien art. 396. —
Zürich art. 131—133.