Kindesmord. 457
Gegen die Stichhaltigkeit der Schwimmprobe sind auch eine Reihe von Ein—
würfen gemacht worden, welche meist theoretischer Spekulation entsprossen, im kon-
kreten Falle gewöhnlich leicht zu widerlegen und in ihrer Unhaltbarkeit darzu-
thun sind. Diese Einwürfe sind: c) Fäulniß, künstliches Lufteinblasen oder ein an-
geborenes Emphysem können auch fötale Lungen schwimmen machen. Das ist richtig
und doch meist nicht unschwer zu erkennen. Die Lufthaltigkeit ist in diesem Falle
gewöhnlich eine ungleichmäßige, so daß neben lufterfüllten Stellen sich wieder derbe,
luftleere finden. Das Einblasen könnte auch nur von einem mit dem anatomischen
Baue der Athmungswege genau Vertrauten und nur bei sehr ruhiger Hand ohne
Verletzung geschehen. 6) Das Niedersinken der Lungen kann die Todtgeburt nicht
beweisen; denn sie können sinken, wenn auch das Kind nach der Geburt gelebt hat.
Allerdings kommen in seltenen Fällen Lungen von Kindern, die unzweifelhaft gelebt
haben, vor, welche untersinken. Eine genaue Untersuchung ergiebt, daß oft vielleicht
große Partien vollkommen luftleer sind (Atelektase), allein niemals die ganzen
Lungen: einzelne, wenn auch kleine Partien müssen geathmet haben. Bei angeborener
Atelektase käme übrigens die Lebensfähigkeit in Frage. )) Die Athemprobe beweist
nicht unbedingt postfötales Leben, da das Kind schon vor oder während der Geburt
geathmet haben kann. Die allerdings vorkommenden, vorzeitigen Athembewegungen
sind für unsere Frage von geringem Belange, können übrigens leicht durch die Auf-
findung aspirirten Fruchtwassers in den Luftwegen nachgewiesen werden.
Es ergiebt sich demnach zweifellos, daß wir, da die Bedenken gegen die Stich-
haltigkeit der Athemprobe mehr theoretisch-spekulativer Natur als von wirklich prak-
tischer Bedeutung sind, in derselben ein vorzügliches Beweismittel besitzen, um in
den meisten Fällen von K. sicher entscheiden zu können ob das untersuchte Kind ge-
athmet, also „in und nach der Geburt“ gelebt hat. Wenn ihre negativen Resultate
uns auch nicht die volle Gewißheit einer Todtgeburt gewähren können, so sind die
positiven Resultate um so zuverlässiger. ·
Gegenüber der fundamentalen Richtigkeit der Athemprobe für den Beweis des
Lebens sind die weiteren Proben allerdings von untergeordneter Bedeutung. Sie
sind: b) Die Darmprobe, basirend auf dem Beweise von Gasen im Darme, die
sich erst im Postfötalleben entwickeln. c) Die Leberprobe, welche aus dem Blut-
gehalte und Gewichte der Leber fußend, sehr unsichere Resultate giebt. d) Die
Harnblasenprobe und der Harnsäureinfarkt, beides unzuverlässige und un-
sichere Befunde. Nur die Prüfung e) vom Nabelschnurrest und f) der Kreis-
laufsorgane vermag noch einigen Aufschluß besonders über die Dauer postfötalen
Lebens zu geben.
5) Die Todesursache. Hierbei ist zu erwägen, daß einerfeits überhaupt
eine große Zahl von Kindern todt geboren wird und, daß andererseits selbst ein
gewaltsamer Tod ohne Schuld eines Dritten stattgehabt haben kann, so daß uns
die klarsten Beweise vorliegen müssen, wenn wir unfer Gutachten auf „gewaltsame
Tödtung“ abgeben sollen. Die verletzenden Einwirkungen, welche ein Kind schon
vor Beginn des Geburtsaktes treffen können, bestehen in Stößen, Schlägen,
Tritten, welche gegen den Leib der Mutter geführt durch die Bauch= und Uterus-
wand hindurch das Kind beschädigen, oder in einem Fall der Mutter mit dem Leibe
gegen einen harten Körper, wobei der Kopf des Kindes auch gegen einen Becken-
knochen anprallen kann (v. Fabrice). An der Mutter finden sich nicht nothwendig
Spuren der erlittenen Verletzung, da bekanntlich selbst sehr bedeutende Quetschungen
und Zertrümmerungen vorkommen können, ohne daß in der Haut Blutunterlaufungen
beobachtet werden (Schauenstein). — Auch während der Geburt ist ein
gewaltsamer Tod ohne die Hand eines Dritten möglich. Vor Allem ist es die durch
den Geburtsakt hervorgerufene Hirnhyperämie, welche den Tod in der Geburt ver-
anlassen kann; aber auch Knochenverletzungen, selbst Brüche der Schädelknochen