Kindesunterschiebung. 459
nitalien, welcher später schleimig-glasig wird, und der gewöhnlich erst nach 4 bis
6 Wochen gänzlich schwindet; Turgescenz und Succulenz der äußeren
Genitalien, welche wenigstens eine Woche nach der Geburt anhält, und endlich
die Vergrößerung der Gebärmutter, welche erst nach 6 Wochen ihre
ursprüngliche Gestalt und Kleinheit annimmt. Zu den bleibenden diagnostischen Zeichen
stattgehabter Geburt gehören: Einrisse des Schamlippenhändchens und des Hymens,
dunklere Pigmentirung des Warzenhofes, die Schwangerschaftsnarben an den Bauch-
decken, endlich die Veränderung des inneren Muttermundes in eine runde Form mit
den bleibenden Einrissen in den Muttermundslippen.
2) Die Zurechnungsfähigkeit der Neuentbundenen. Es liegt die
durch das Gesetz schon gegebene Präsumption einer verminderten Zurechnungsfähig-
keit bei Gebärenden vor, welche begründet ist durch die psychische Erregung, in die
die Gebärende durch den physiologischen Akt selbst versetzt wird. Diese gesetzlich
gegebene Rechtsfiktion ist daher nicht Gegenstand der gerichtsärztlichen Beurtheilung;
auf ihrer bedingungslosen Voraussetzung beruht ja die mildere Auffassung und Be-
strafung des K. Für den Sachverständigen handelt es sich immer um die Be-
urtheilung eines höheren Grades von etwa vorhanden gewesener Sinnesverirrung oder
transitorischer Geistesstörung. In der That werden besonders im 3. und 4. Geburts-
akte transitorische Geistesstörungen beobachtet, welche mit vollständiger
Aufhebung des Bewußtseins (Amnesie) verlaufen. Diese zu konstatiren ist Sache
des Gerichtsarztes. Er wird dabei außer den etwa zu erhebenden besonders
schweren Geburtsvorgängen auf die Anamnese ein befonderes Augenmerk zu richten
haben, so auf das Vorhandensein einer epileptischen oder hysterischen Basis oder auf
kataleptische oder eklamptische Zustände zur Zeit der Pubertätsentwickelung. Durch
Zusammenhalt der ganzen psychischen Persönlichkeit der Inkulpatin mit den beson-
deren Umständen zur Zeit der Geburt, wobei noch durch äußere Umstände hinzu-
gekommene Alterationen und psychische Erregungen oder ungewöhnlich schmerzhafter
Geburtsverlauf in Betracht zu ziehen sind, wird ihm auch die Lösung dieser Frage
nicht unmöglich sein.
Lit.: Güntz, Der Leichnam des Neugeborenen, Leipz. 1827. — Gans, Vom Verbrechen
des K. — Kunze, Der K., Leipz. 1860. — v. Fabrice, Die Lehre von der Kindesabtreibung
und vom Kindesmord, Erlangen 1868. — Mair, Jurist.-mediz. Kommentar 2c., 1862 IV. —
Casper-Liman, Handb. d. ger. Mediz., 6. Aufl., Berlin 1878 — Die Lehrbücher d. ger.
Mediz. von E. Hofmann, Buchner, Schürmayer, Schauenstein, Krahmer.
· ratter.
Kindesunterschiebung: die wichtigste mehrfach (Belgien, Frankreich) allein
berücksichtigte Spezies der Verbrechen gegen den Personenstand. Vorauszusetzen ist
ein Kind, das noch unfähig ist, über sich Auskunft zu geben (Belgien: ein
Kind unter 7 Jahren). Anderer Meinung ist speziell hinsichtlich des RStrafGB.
v. Schwarze. Zur Handlung gehört, daß dasselbe für das Kind einer bestimmten
Mutter fälschlich ausgegeben werde. Verletzt sind hierbei sowol die Rechte der ge-
täuschten angeblichen Angehörigen, als die des Kindes, insofern dessen wahrer Fami-
lienstand unterdrückt wird. Uebrigens wird nicht vorausgesetzt, daß die Absicht auf
eine Benachtheiligung des Kindes gerichtet ist. Findet die Unterschiebung auf Kosten
eines echten Sprößlings der betreffenden Personen statt, so konkurrirt mit ihr ideal
eine gegen den letzten begangene Unterdrückung des Familienstandes. Die Gesetze
behandeln indeß diese Delikte als eine Einheit (als Verbrechen der Kindes-, Ver-
wechslung“). — Der Unterschiebung und Verwechslung wird mehrfach der Fall
gleichgestellt, wo das Kind Denjenigen, denen es angehört, rechtswidrig vorenthalten
(bzw. vor ihnen verborgen) wird (Belgien, Frankreich). — Bei Unter-
drückung und Vorenthaltung wird die Handlung häufig die Merkmale eines
schwereren Verbrechens (insbesondere der Aussetzung oder des Menschenraubs) an-