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nehmen. —. Das Gem. Recht ließ diese Delikte nur auf Antrag seitens der Be-
theiligten verfolgen, schloß aber die Verjährung bei ihnen aus. Die neuere Gesetz-
gebung hat beide Singularitäten fallen lassen. Der Lauf der Verjährung sollte hier
nicht beginnen, so lange der Verbrecher den rechtswidrigen Zustand, obgleich er ihn
aufguheben vermöchte, fortbestehen läßt. Die Gesetzgebung hat diese Auffassung jedoch
nicht adoptirt (anderer Meinung: H. Meyer, v. Schwarze). — S. den Art.
Prrlurn stand (Verbrechen gegen den).
S'. u. Lit.: RStraf G. § 169. — Ungarn § 254. — v. bolbendorff= " eHandb.
III. S. 280 ff. (v. Schwarze).
Kinschot, H., 5 1541 zu Turnhout, # 1608 zu Brüssel, berühmter Adv.
Er schrieb: lie rescr. gratiae tract. VII, Brux. 1653.
Lit.: Nypels in Belgique judiciaire III. 593; Derselbe, Bibliotheque, 94.
Teichmann.
Kircheisen, Friedr. Leop. von, 35 28. VI. 1749 zu Berlin, studirte in
Halle, wurde 1775 Assessor im Oberrevisionskollegium, 1787 Kammergerichts-
direktor, 1795 Kammergerichtsvizepräsident, 1798 geadelt, nahm besonderen Antheil
an der Bearbeitung der Kriminalordnung von 1805, wurde 1809 Chefpräsident,
1810 Justizminister, F# 18. III. 1825.
Lit.: Kamptz, Jahrbb. für die Breuß Gsgb., Rechtswiss. u. Rechtsverwaltg., Bd. XXV.
S. 149—156. — Klein's Annalen Gsgb. u. Rechtsgelehrsamkeit in den Preuß. Staaten,
Bd. IX. S. 301. — Neuer enelen der Deutschen für 1825 I. 379—391. — Sonnen-
schmidt, Gesch. d. Kgl. OTrib., Berl. 1879.
Teichmann.
Kirchenagende. Das Wort „Agenda“ (ursprünglich als Plural gebraucht)
bezeichnet in der ältesten kirchlichen Literatur den Gottesdienst selbst, inbesondere die
Messe. Erst im 13. Jahrhundert tritt es in der heute bekanntesten Bedeutung eines
liturgischen Formelbuches auf und zwar namentlich für solche Bücher, in denen die
Amtshandlungen des einfachen Priesters dargestellt werden, im Gegensatz zum Ponti-
ticale. Auch ist der Ausdruck in der katholischen Kirche nie technisch geworden;
seit dem 17. Jahrh. wird er vielmehr durch den Titel „Rituale“ verdrängt. Um
so gebräuchlicher ist er in der protestantischen, speziell der lutherischen Kirche, wo er
von Anfang an zur Bezeichnung derjenigen Bücher gedient hat, welche die gesammte
Gottesdienstordnung umfassen.
Von juristischem Interesse sind hauptsächlich zwei Fragen, die an den Begriff
der Agende geknüpft zu werden pflegen:
1) Inwieweit ist die in einer evangelischen Kirche gebrauchte Agende kirchenrecht-
lich bindend für die einzelnen Geistlichen? Von selbst versteht sich, daß einer
bloßen Privatagende keine bindende Kraft im Ganzen zukommen kann. Nur ist
dabei nicht zu übersehen, daß für die Eigenschaft als Privatagende nicht allein der
Ursprung entscheidet, daß ein Agendenbuch, das zunächst als reine Privatarbeit auf-
trat, nicht blos durch ausdrückliche Sanktion der berufenen kirchlichen Organe,
sondern auch kraft Gewohnheitsrechts kirchenrechtliche Geltung erlangen kann. Auch
bedeutet die Thatsache, daß in einer bestimmten Kirche blos Privatagenden bestehen,
niemals schon vollständige Freigebung der Liturgie in das Ermessen der einzelnen
Geistlichen. So gewiß es reformatorische Anschauung ist, an der jede evangelische
Kirche wird festhalten müssen, daß es für die Einheit der Kirche im religiösen, wie im
juristischen Sinne nicht der Uebereinstimmung in den Ceremonien bedürfe, so gewiß
hat auch jeder protestantische Gottesdienst in gewissen liturgischen Formen seine
stabilen Bestandtheile. Im scharfen Gegensatze zur Predigt, in welcher sich die volle