504 Konkordate.
der anderen, namentlich der evangelischen Religionsgemeinschaften wahrenden Gesetzes
publizirt worden (über die Stellung Ungarns dazu s. Moy, Archiv XXI. 470),
während einige Separatartikel noch geheim gehalten wurden und erst später bekannt
geworden sind. Die mannigfachen seit 1860 kursirenden Gerüchte über eine bevor-
stehende Revision des K. haben sich Jahre lang als unbegründet erwiesen. Erst
zufolge der nach dem Kriege von 1866 eingetretenen Wendung der Oesterreichischen
Politik ist durch die drei Gesetze vom 25. Mai 1868 (1. über die Wiederherstellung
des Eherechts des BeB., Ueberweisung der Ehegerichtsbarkeit der Katholiken
an die weltlichen Gerichte und die Einführung einer Notheivilehe; 2. über das Ver-
hältniß der Schule zur Kirche; 3. über die interkonfessionellen Verhältnisse der
Staatsbürger) eine bedeutende Bresche in das K. gelegt werden. Nach der im Jahre
1870 erfolgten Unfehlbarkeitserklärung des Papstes ist die Regierung aber von dem K.
ganz zurückgetreten und wenn auch damit die staatsgesetzliche Gültigkeit desselben
nicht aufgehoben war, so ist die letztere doch später durch die Oesterreichischen Gesetze
vom 7. und 20. Mai 1874 beseitigt worden. 3) Nach dem Vorgange Oesterreichs schloß
Württemberg unterm 8. April 1857 und 4) auch Baden unterm 28. Juni
1859 ein K. mit dem päpstlichen Stuhle ab; wegen der heftigen Opposition, welche
sich in beiden Ländern gegen diese Vereinbarungen erhoben hat und der von den Ständen
verweigerten Zustimmung sind dieselben indessen nicht zur Geltung und Ausführung
gelangt. 5) Ein Beispiel eines nicht mit dem Papst, sondern mit einem Bischof
abgeschlossenen K. bietet endlich die mit dem Bischof von Mainz eingegangene, lange
Zeit vor dem Lande geheim gehaltene Konvention für das Großherzogthum
Hessen vom 23. April 1854, welche schon im Jahre 1863 von der zweiten
Kammer für ungültig erklärt und im Jahre 1866 von beiden kontrahirenden Theilen
beseitigt worden ist. — Die rechtliche Natur der K. bildet eine viel besprochene
Kontroverse des Kirchenrechts. Im 16. und 17. Jahrhundert erklärte man die K.
für keine wahren Verträge, sondern für von der Kirche ertheilte Indulte oder
Privilegien, weil der Vorgesetzte (die Kirche) und die Untergebenen (der Staat)
nicht in ebenbürtiger Stellung nebeneinander ständen und die Kurie durch ein K.
keine neuen Rechte erwerbe, da dem Staate alle etwa von ihm übernommenen Ver-
pflichtungen schon von Natur und nach göttlichem Recht oblägen. Diese Ansicht ist
von einzelnen Päpsten, von einer Reihe von älteren Kurialschriftstellern und neuer-
dings noch von Brühl — allerdings mit verschiedener Motivirung im Einzelnen —
vertreten worden, und sie entspricht auch sicherlich am meisten den noch heute maß-
gebenden Anschauungen der Kurie. Den absoluten Gegensatz zu der eben kurz
charakterisirten sog. Privilegientheorie bildet die mit dem Ausdruck Legal-
theorie bezeichnete Ansicht. Davon ausgehend, daß der Staat der Kirche die Ge-
setze vorzuschreiben habe, die staatlichen Hoheitsrechte unveräußerlich seien und daß
die K. immer nur mehr untergeordnete, das Staats= oder öffentliche Kirchenrecht be-
rührende Gegenstände, keineswegs die unveräußerlichen Rechte der Kirche (wie z. B.
die Dogmen) beträfen, erklärte man die K. lediglich für Staatsgesetze, welche die
Staatsgewalt wie alle anderen beliebig widerrufen könne (so Brendel, Aegidi,
Sarwey). Zwischen diesen beiden Extremen steht eine Theorie, welche auch schon
von älteren Kanonisten, dann von einigen Päpsten, mehrfach von der Rota romana
und von den meisten neueren, z. B. Walter, Phillips, Heffter, Richter-
Dove, Mejer, Herrmann, Schulte, ganz neuerdings von Bornagius
vertheidigt ist, und den K. den rechtlichen Charakter von Verträgen vindizirt. Man
stützte diese Auffassung einmal „auf die Thatsache, daß bei den K. Staat und Kirche
als Paciscenten auftreten, sowie darauf, daß die Art und Weise der Abschließung
und Ausfertigung ganz nach den Regeln anderer Staatsverträge erfolge und die be-
treffenden Vereinbarungen sich selbst als concordata oder, wie der neuerdings ge-
brauchte Ausdruck ist, als conventiones bezeichnen. Weiter hat man darauf hin-
gewiesen, daß Staat und Kirche zwei durchaus selbständige und koordinirte Gewalten