Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Konkordate. 505 
seien und der Papst, welchem eine völkerrechtliche Stellung eingeräumt sei, auch die 
spirituelle Souveränetät über die katholische Kirche besitze. Mit Rücksicht auf die 
beiden letzteren Momente hat man die K. neuerer Zeit (so namentlich z. B. Heff- 
ter, Schulte, Richter-Dove, Bornagius) für bölkerrechtliche Verträge er- 
klärt. Freilich hat Herrmann hiergegen Widerspruch erhoben, indem er die K. 
als eine eigenthümliche dritte Klasse von öffentlichen Verträgen neben die Staats- 
und Völkerverträge stellt. Hübler endlich ist der Ansicht, daß sich die Frage nach 
der rechtlichen Natur der K. nicht absolut entscheiden lasse, sondern daß die Lösung 
von der jeweiligen maßgebenden Anschauung über das Verhältniß zwischen Staat 
und Kirche abhänge. So richtig diese Auffassung ist, so löst sie doch nicht die 
praktische Frage nach dem heute für die Deutschen Staaten berechtigten Standpunkt, 
um so weniger als der Syllabus vom 8. Dezember 1864 unter Nr. 43 zwar den 
Satz verurtheilt, daß die Laiengewalt nicht das Recht habe, einfeitig die K. aufzu- 
heben, aber keineswegs ein entsprechendes Anerkenntniß, daß die Kurie sich auch ihrer- 
seits vollkommen gebunden halte, abgegeben hat und überdies eine prinzipielle Differenz 
über die Auffassung des Verhältnisses des Staates zur Kirche zwischen allen modernen 
Staaten und der Kurie sich nicht wegleugnen läßt. Ich meinerseits muß an der schon 
Bd. I. S. 672 ausgesprochenen Ansicht festhalten, daß vom Standpunkt des heutigen 
Staatsrechtes ein juristisch bindender Vertrag mit der katholischen Kirche nicht denkbar 
ist. Mag auch die letztere ihre Existenz nicht von einer staatlichen Konzession herleiten, 
ihre Existenz als Rechtssubjekt verdankt sie trotzdem lediglich der Anerkennung desselben 
und ebenso die staatliche Geltung ihres Rechts. Die spirituelle Souveränetät des 
Papstes ist vom Standpunkt des Staats= und Völkerrechts aus keine wahre Sou- 
veränetät, denn ohne ein Anerkenntniß des Staates kann dieselbe für das staatliche 
Gebiet nie wirksam werden. Wenngleich es auch nicht absolut richtig ist, daß der 
moderne Staat seine Souveränetät nicht theilweise aufgeben kann — die jedem frei- 
stehende Befugniß, sich mit anderen Staaten zu einem Bundesstaat zu vereinigen, 
zeigt das Irrige dieser Theorie —, so ist doch ein Vertrag nicht denkbar mit 
Rechtssubjekten, welche der Souveränetät an sich schon untergeben sind, für welche 
also der Staat durch seine Gesetzgebung die bindenden Normen vorschreiben kann. 
Die zwischen dem Staat und der Kurie abgeschlossenen Vereinbarungen verpflichten 
demgemäß rechtlich keinen der Kontrahenten, wenngleich Treu und Glauben erfordern, 
daß der einzelne Staat sie hält, ebenso wie es ja der Anstand und die gute Sitte 
verlangt, daß Privatpersonen gewisse vom Civilrecht für unklagbar oder für nichtig 
erklärte Verbindlichkeiten erfüllen. Ich gewärtige freilich, daß man mir vorwerfen 
wird, ich predige den Vertragsbruch, aber wenn die Vertheidiger der Vertragstheorie 
unter gewissen Verhältnissen einen einseitigen Rücktritt von den K. gestatten und 
jedem K. die clausula rebus sic stantibus als inhärent betrachten, so kommt das 
praktisch auf dasselbe heraus, denn einmal wird ein Staat, der ein K. abgeschlossen 
haben sollte, die staatliche Publikation desselben für die Regel nur aus gewichtigen 
Gründen unterlassen, und diese werden sich stets unter die vagen Rücktrittsfälle, 
welche die Vertragstheorie aufstellt, bringen lassen. — Den Weg des K. zur Auf- 
richtung der zerstörten Kirchenverfassung hat von den Deutschen Staaten allein 
Bayern eingeschlagen, für die übrigen Deutschen Staaten ist die Neuerrichtung kder 
katholischen Kirche durch sog. Cirkumskriptionsbullen erfolgt, d. h. durch 
päpstliche Erlasse, welche die äußeren kirchlichen Einrichtungen, namentlich die Grenzen 
der bischöflichen Diözesen normirten (die circumscriptio dioecesium vornahmen — 
daher der Name —), und im Gegensatz zu den K. nur in wenigen Punkten die 
mehr inneren Verhältnisse der Kirche regelten. Diese Bullen hat der Papst als 
Kirchengesetze erlassen, die einzelnen Regierungen haben ihnen aber auch den Charakter 
von Staatsgesetzen durch besondere Publikationen verliehen. Zu Stande gekommen 
sind dieselben auf Grund gegenseitiger Vereinbarungen der Kurie und der betreffenden 
Staaten. Ueber die juristische Natur solcher Abkommen müssen ganz dieselben
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.