Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Konkurrenz. 507 
daß man vielmehr das Zusammentreffen von Strafen als das von Verbrechen ins 
Auge fassen sollte (namentlich von Köstlin eindringlich hervorgehoben; jetzt auch 
von Schütze, Lehrbuch, S. 194 ff. und Rosenblatt anerkannt). Keine K. liegt 
vor im Falle der bloßen Gesetzes K., d. h. wenn eine Handlung unter mehrere 
Strafgesetze fällt, deren eines als das speziellere (I. 41 D. de poenis) die Anwen- 
dung der übrigen ausschließt. So z. B. bei den sog. zusammengesetzten Verbrechen 
(Raub — Diebstahl plus Nöthigung oder Körperverletzung u. dgl.), bei gewissen 
qualifizirten Verbrechen (z. B. Einbruchsdiebstahl = Diebstahl plus Sachbeschädi- 
gung), bei gewerbsmäßigen Verbrechen (gewerbsmäßige Hehlerei — § 260 — im 
Gegensatz zur einfachen Hehlerei — §§ 258, 259). — Die herrschende Anschauung, 
welche zwischen idealer (formaler, einthätiger, gleichzeitiger) und realer (materialer, 
mehrthätiger, ungleichzeitiger) K. unterscheidet, wird bekämpft von John, Hälsch- 
ner und v. Buri (gegen den Letzteren s. übrigens Olshausen, Komm., I. S. 317 
und Hiller, Gerichtssaal XXXII. S. 200 ff.). Unrichtig ist es allerdings, daß die Schrift- 
steller und Gesetze meist mildere Behandlung der idealen K. wollen (Anwendung des Ab- 
sorptionssystems). So verfährt auch das Deutsche Straf#B. Nach § 73 wird nur 
dasjenige Gesetz, welches die schwerfte Strafe (bzw. die schwerste Strafart) androht, 
angewendet, „wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafsgesetze verletzt.“ Dabei 
ist der Fall ganz übersehen, wenn durch Eine Handlung dasselbe Strafgesetz mehr- 
fach übertreten wird (z. B. Beleidigung Mehrerer durch Ein Wort). Dieser ist aber 
unzweifelhaft nach der Analogie von § 73 zu behandeln, wie jetzt auch das Reichs- 
gericht anerkannt hat (Erk. vom 1. Juli 1880, Rechtspr. II. S. 143 ff.); anderer 
Meinung: v. Buri, der den §74 analog anwenden will (ebenso die Bayerische und Sächsf. 
Praxis). — Betreffs der realen K. gilt Folgendes: 1) Wenn mit zeitigen Freiheits- 
strafen bedrohte Verbrechen im engeren Sinne oder Vergehen zusammentreffen, ist in 
der Regel (vgl. 2) auf eine Gesammtstrafe zu erkennen, welche in einer Er- 
höhung (d. h. sowol Erhöhung im engeren Sinne als Schärfung) der verwirkten 
schwersten Strafe besteht, den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und 
15jähriges Zuchthaus oder Festungshaft, sowie 10jähriges Gefängniß nicht über- 
steigen darf (§ 74). Die Preußische Praxis war früher schwankend über das Vor- 
gehen bei Festsetzung der Gesammtstrafe, später stellte sich in Preußen wie ander- 
wärts die jetzt auch vom Reichsgericht (Erk. vom 28. Nov. 1879, Rechtspr. I. S. 
102 ff.) gebilligte (richtige) Ansicht fest, daß der Richter zunächst die Einzelstrafen 
für jedes der zusammentreffenden Verbrechen festsetzen, dann von der schwersten der so 
festgesetzten Strafen als der Einsatzstrafe ausgehen und diese Strafe angemessen er- 
höhen muß, ohne daß die auf solche Art gebildete Gesammtstrafe den Betrag der 
verwirkten (festgesetzten) Einzelstrafen erreichen darf. Eine Erhöhung der Einsatzstrafe 
ist aber, wie sich versteht, nicht zulässig, wenn die letztere schon in 15jährigem Zucht- 
haus, 15jähriger Festungshaft oder 10jährigem Gefängniß besteht (§ 74, Abf. 3). 
— Nach Abs. 2 des § 74 tritt bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Freiheits- 
strafen die im Abs. 1 geforderte Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe bei der 
ihrer Art nach schwersten Strafe ein; es ist also mit anderen Worten beim Zu- 
sammentreffen von Zuchthaus mit Gefängniß oder Festungshaft die Zuchthausstrafe 
zu erhöhen. Wenn aber in Folge der Jugend des Thäters auf Grund des § 57 
an die Stelle der Zuchthausstrafe Gefängniß zu verhängen ist, und mit dem be- 
treffenden Verbrechen ein mit Gefängniß bedrohtes Delikt zusammentrifft, so ist na- 
türlich nicht Zuchthaus, sondern Gefängnißstrafe als Einsatzstrafe zu betrachten; 
hierüber s. Reichsg. Erk. vom 3. Jan. 1880 (Rechtspr. I. S. 187 ff.), was ebenso von 
den Fällen gelten muß, wo auf Grund der §§ 44 und 49 für Versuch bzw. Beihülfe 
Gefängniß an die Stelle des Zuchthauses tritt. — Ausnahmsweise darf die Ge- 
sammtstrafe bis zu fünfzehnjährigem Gefängniß ansteigen, wenn eine Handlung eines 
jugendlichen Thäters in Frage kommt, welche an sich mit dem Tod oder mit Zucht- 
haus bedroht ist (vgl. § 57 Z. 1 und 3). — 2) Wenn Festungshaft mit Gefängniß
	        
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