Metadata: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gemeindebeamte. 53 
Bürger, bald die Gemeindevertretungen, bald die Gemeindeobrigkeiten. Von den 
eigentlichen G. werden die besoldeten Gemeindevorsteher und Vorstandsmitglieder von 
der Gesammtheit oder ihren Repräsentanten gewählt. Die übrigen G. hat in der 
Regel die Gemeindeobrigkeit, obschon nach manchen Gemeindeordnungen (z. B. nach 
der Preuß. Städteordn.) nicht ohne vorherige Anhörung der Gemeindevertretung, 
anzustellen und zu beaufsichtigen. Nach der Gemeindeverfassung richten sich auch die 
Formen der Anstellung. Regelmäßig wird eine schriftliche Bestallung ausgefertigt 
und eingehändigt und die Ablegung eines Diensteides vor dem Amtsantritt gefordert. 
Die rechtliche Natur des das Beamtenverhältniß begründenden Anstellungsaktes 
ist bei den G. nach analogen Gesichtspunkten zu beurtheilen wie bei den Staats- 
beamten. Während in dieser Hinsicht kein Zweifel sein kann, daß die Berufung zu 
unbesoldeten Gemeindeämtern auf Grund der Bürgerpflicht ein einseitiger publizisti- 
scher Gemeindeakt ist, welcher Pflichten auferlegt und Befugnisse ertheilt, herrscht 
über die Natur der Anstellung von freiwillig eintretenden Berufsbeamten lebhafter 
Streit. Die ältere Theorie nahm ursprünglich einen mehr oder minder privatrecht- 
lich aufgefaßten Vertrag, sodann einen eigenthümlichen (aus Hauptvertrag über die 
Amtsübertragung und Nebenvertrag über die Besoldung zusammengesetzten) Staats- 
dienstvertrag an; seit Gönner wurde die Ansicht herrschend, daß das Beamten- 
verhältniß durch einseitigen Willensakt des Staates begründet werde; neuerdings ist 
(besonders von Laband) die Vertragstheorie mit der Modifikation wieder ausge- 
nommen, daß ein durch und durch öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliege, welcher ein 
(der Vasallität vergleichbares) persönliches Gewalt= und Unterwerfungsverhältniß 
erzeuge, also nicht obligationenrechtlicher, sondern personenrechtlicher Art sei. Bei 
der Anwendung auf G. würden der Vertragstheorie manche Schwierigkeiten, die ihr 
hinsichtlich der Staatsbeamten erwachsen, nicht entgegenstehen, während andererseits 
die Konstruktion des Vertragsinhalts im Sinne der neuesten Wendung dieser Theorie 
kaum durchführbar sein möchte. In Wahrheit ist die Anwendung des Vertrags- 
begriffes nicht schon darum geboten und zulässig, weil zur Entstehung irgend eines 
Rechtsverhältnisses Willensübereinstimmung gehört: der Vertragsbegriff beruht viel- 
mehr auf der Durchführung des Gedankens, daß in Bezug auf das fragliche Rechts- 
verhältniß der übereinstimmende Parteiwille mit konstituirender Kraft und Gestal- 
tungsmacht begabt sei. Auch der Vertrag vermag freilich subjektives Recht nur zu 
erzeugen, weil und soweit das objektive Recht ihm diese Wirkung beilegt: allein das 
objektive Recht erkennt ihn eben als Ouelle, nicht blos als Voraussetzung des sub— 
jektiven Rechts an; und er ist Vertrag gerade deshalb und gerade insoweit, weil 
und inwieweit er die Idee der rechtsschöpferischen Bedeutung der menschlichen Frei- 
heit zum Ausdruck bringt. Darum ist der Vertrag überall da nicht als Begrün- 
dungsakt eines rechtlichen Zustandes anzusehen, wo dieser letztere seinem wesentlichen 
Inhalt nach dem subjektiven Belieben schlechthin entzogen ist und bleibt; wo mithin 
die Funktion des freien Willens sich auf den Entschluß des Eintritts in einen vom 
objektiven Recht als Bestandtheil einer höheren Daseinsordnung gesetzten Zustand 
beschränkt. Dies ist beim Beamtenverhältniß, ähnlich wie bei der Bürgeraufnahme 
und etwa bei der Eheschließung, der Fall. In der That entsteht daher das Rechts- 
verhältniß des G. nicht durch die Uebereinstimmung zweier Willenserklärungen, son- 
dern durch den einheitlichen Willensakt der Gemeinde, welche auf Grund ihrer kor- 
porativen Lebensordnung eine unausgefüllte Stelle in ihrem Organismus besetzt, sich 
ein lebendiges Glied unter Zuweisung der entsprechenden Pflichten und Rechte ein- 
fügt. Allein allerdings geht diesem konstitutiven Akte ein Vertrag voraus. Dieser 
Vertrag hat eine doppelte rechtliche Bedeutung. Erstens enthält er die erforderliche 
Willenseinigung über Aufnahme und Eintritt in das demnächst zu begründende Ver- 
hältniß; insoweit wird er als bloßes pactum de constituendo durch die Ausführung 
konsumirt, ähnlich wie etwa der Vertrag über die Gründung eines korporativen Ge- 
meinwesens (z. B. eines Bundesstaats) durch dessen Errichtung absorbirt wird.
	        
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