Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

54 Gemeindebeamte. 
Zweitens aber kann er gewisse nicht essentielle Wirkungen und Aueflüsse des zu be- 
gründenden Verhältnisses so oder anders festsetzen; insoweit bleibt er gewissermaßen 
als pactum adjectum (analog etwa den Eheverträgen) fort und fort von rechtlicher 
Bedeutung, indem der beabsichtigte rechtliche Zustand nur mit den so im Voraus 
firirten und beiderseitig bindenden vertragsmäßigen Modalitäten ins Leben tritt. 
Das dergestalt begründete Rechteverhältniß des G. ist seinem Kern nach öffent- 
lich-rechtlicher Natur. Die publizistischen Beziehungen zwischen der Gemeinde und 
dem G. sind jedoch darum nicht weniger wahre Rechtsbeziehungen: denn es 
liegt im Wesen des im Sinne des Rechtsstaats geordneten Gemeinwesens, daß auch 
das Verhältniß zwischen dem korporativen Ganzen als solchem und seinen Gliedern 
als solchen unter das Recht fällt. Dieser Rechtscharakter der öffentlich-rechtlichen 
Seite des G. verhältnisses wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß in dieser 
Hinsicht in Deutschland die Kompetenz der ordentlichen Gerichte nicht begründet 
ist, vielmehr in den daraus hervorgehenden Streitfragen theils lediglich im Be- 
schwerdewege von der staatlichen Aufsichtsbehörde entschieden wird, theils neuerdings 
der Spruch besonderer Verwaltungsgerichte eintritt. Das Beamtenverhältniß hat 
aber zugleich (wennschon dies von Laband energisch bestritten wird) eine privat- 
rechtliche Seite. Denn die vermögensrechtlichen Ansprüche des Beamten sind, obwol 
sie ihre Wurzel in einem publizistischen Verhältniß haben, als eigene und selbstän- 
dige Rechte anerkannt, welche einen Bestandtheil der Individualsphäre des Beamten 
bilden. In dieser Hinsicht ist daher auch die Kompetenz der ordentlichen Gerichte 
überall in Deutschland zur Geltung gelangt, so daß wegen der Vermögensansprücke 
des Beamten die gewöhnliche Klage im Civilprozeß stattfindet. 
Die rechtliche Stellung der G. ist, je nach der Art des ihnen übertragenen Ge- 
meindeamts, eine sehr verschiedene. Gleich den Staatsbeamten werden die G., je nach 
der Natur der von ihnen geleisteten Dienste, in höhere Beamte, Subalternbeamte 
und Unterbeamte eingetheilt. Sie unterscheiden sich ferner in solche Beamte, welche 
mit obrigkeitlichen Befugnissen ausgestattet sind, und in solche, bei denen dies nicht 
der Fall ist (Techniker, Kassenbeamte 2c.; auch Gemeindelehrer, über deren Rubri- 
zirung unter den Beamtenbegriff jedoch die Deutschen Gesetze nicht einig sind). Hin- 
sichtlich der obrigkeitlichen Beamten tritt dem monarchischen Staat gegenüber der 
Unterschied hervor, daß in der Gemeinde (ähnlich wie im republikanischen Staat) 
nicht blos die vom obersten Regierungsorgan beauftragten Funktionäre, sondern auch 
die dieses oberste Organ selbst bildenden Personen unter den Beamtenbegriff fallen. 
Die Pflichten der G. sind denen der Staatsbeamten analog. Sie sind der 
Gemeinde (und mittelbar stets zugleich dem Staat, dessen Glied die Gemeinde ist) 
zu besonderer Treue verpflichtet; sie schulden den ihnen vorgesetzten Behörden und 
Organen nach Maßgabe der Gesetze Gehorsam; sie müssen die ihnen ausgetragenen 
Dienstobliegenheiten erfüllen, sofern sie nicht ein ertheilter Urlaub davon entbindet, 
der indeß dann nicht erforderlich ist, wenn der Beamte durch die Heranziehung zur 
Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht oder durch Eintritt in den Rrcichstag, 
(RVerf. Art. 21) und nach den meisten Verfassungsurkunden auch in den Landtag 
behindert wird; sie sind zur Aufrechthaltung des Amtsgeheimnisses verpflichtet (auch 
die §§ 53 und 76 der RtrafP O. und 8§ 341 und 373 der RPO. beziehen 
sich mit auf G.); sie müssen ein achtungswürdiges Verhalten beobachten. Die Er- 
füllung der Amtspflichten der G. ist zum Theil durch die Strafdrohungen des 
Strasgesetzbuches gegen „Verbrechen und Vergehen im Amte“ gesichert, indem dieselben 
nach § 359 auch auf die im „mittelbaren Dienst eines Bundesstaats“ angestellten 
Personen Anwendung finden. Im Uebrigen unterliegen die G. der Beamtendisziplin 
mit ihren besonderen Zwangsmitteln und Strafen (vgl. d. Art. Ordnungs= und Dis- 
ziplinarstrafen). Meist sind die G. ausdrücklich den Disziplinargesetzen für richter- 
liche Beamte mitunterstellt. Dabei erscheint als vorgesetzte und aufsichtführende Behörde 
für alle untergeordneten G. zunächst der Gemeindevorstand, während über dem Ge-
	        
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