Kriegsleistungen. 581
Armee einen gegen die gewöhnlichen Staatseinnahmen sehr gesteigerten extraordinären
Geldbedarf nöthig, und würden eine fast unerschwingliche Höhe erreichen, wenn auch
die Naturalverpflegungsmittel für Mannschaften und Pferde bei der zur Zeit einer
Mobilmachung stets eintretenden Steigerung aller Preise mit baarem Gelde beschafft
werden sollten.
Aus diesen Gründen waren in Preußen schon in früheren Zeiten Natural—
lieferungen und Naturalleistungen seitens des Landes gefordert worden, theils gegen
spätere Vergütung, theils unentgeltlich (v. Bassewitz, I. 310 ff.). Bei der theil-
weisen Mobilmachung vom Jahre 1831 drängte sich jedoch der Regierung die
Ueberzeugung auf, daß die bestehende Gesetzgebung in dieser Beziehung nicht genüge.
Ein zu diesem Zwecke von den Ministerien ausgearbeiteter Gesetzentwurf sollte im
Jahre 1841 den Provinzialständen vorgelegt werden, erhielt aber nicht die Aller-
höchste Sanktion, sondern wurde zur Umarbeitung an das Ministerium zurück-
verwiesen. Die Betrachtung, daß der Erlaß eines solchen Gesetzes im Frieden sowol
dem Auslande gegenüber, als wegen der im Innern erwachsenden Besorgnisse nicht
ohne Bedenken sei, sowie der Umstand, daß derselbe Gegenstand bei der Deutschen
Bundesversammlung zur Berathung gekommen war, und man es daher für räthlich
hielt, den dort zu fassenden Beschluß abzuwarten, war Ursache, daß die Sache erst
1848 wieder ausgenommen wurde. Der Entwurf eines derartigen Gesetzes war dann
zwar im Januar 1849 vollendet, es schien aber nicht angemessen, ihn den Kammern
vor Feststellung der Verfassung vorzulegen. Die Vorlage verzögerte sich auch in
den nächsten Monaten, und es war demgemäß eine energische Kriegsführung nicht
gehörig vorbereitet, als unterm 6. November 1850 die Mobilmachung der ganzen
Preußischen Armee befohlen wurde. Die Regierung erließ daher, in wesentlicher
Uebereinstimmung mit dem ausgearbeiteten Gesetzentwurfe, unterm 12. Nov. 1850
auf Grund von Art. 63 der Verfassungsurkunde eine provisorische Verordnung mit
Gesetzeskraft. Dieselbe wurde den Kammern bei ihrem Zusammentritt im Januar
1851 sofort vorgelegt, erhielt jedoch in dieser Gestalt nicht die definitive Genehmigung,
vielmehr wurde seitens der zweiten Kammer ein von der Kommission derselben aus-
gearbeiteter, vielfach abweichender Gesetzentwurf als neues Gesetz in Vorschlag ge-
bracht und von der Regierung und der ersten Kammer im Wesentlichen acceptirt.
Dies Gesetz über die K. und deren Vergütung vom 11. Mai 1850 ist dann auf
Grund des Art. 61 der Bundesverfassung als Bestandtheil der Preuß. Militärgesetz-
gebung durch die Verordn. vom 7. Nov. 1867 § 1 sub Nr. 6 im ganzen Bundes-
gebiet eingeführt, indem zugleich den einzelnen Bundesstaaten auferlegt wurde, die
zur Ausführung etwa erforderlichen besonderen Vorschriften zu erlassen.
Die K. erfolgen entweder unentgeltlich oder gegen Entschädigung. Unentgeltliche K.
sind die Gewährung des Naturalquartiers (vgl. den Art. Einguartierungslast):
die Gestellung von Wegweisern, Boten, des Vorspanns und sonstiger Trans-
portmittel, sowie von Mannschaften und Gespannen zum Wege= und Brückenbau
und zu fortifikatorischen Arbeiten, sofern diese Leistungen ein gewisses Maß nicht
überschreiten; endlich die Ueberweisung von disponibeln oder leer stehenden Gebäuden
zur Anlegung von Magazinen und Lazarethen, sowie die Gewährung freier Plätze
und unbestellter Grundstücke zu Lagern, Bivouaks, zu Truppenübungen u. dgl.
Die K. gegen Entschädigung sind insbesondere die Landlieferungen, d. h. die Be-
schaffung von Roherzeugnissen, welche das Land selbst produzirt, wie Brodmaterial,
Hafer, Stroh, Heu, Fleisch, zur Versorgung der Magazine; sodann sonstige Fourage-
lieferungen, Naturalverpflegung, und soweit das Maß der unentgeltlichen Leistung
überschritten wird, der Vorspann, sonstige Transportmittel, Bau- und Feuerungs-
materialien, Arbeitskraft, Gebäude, Räumlichkeiten und Grundstücke, endlich alle
sonstigen K., wie die Lieferung oder Anfertigung von Armatur= und Bekleidungs-
stücken, die Lieferung von Schanz= und Handwerkszeug, Arzneien u. s. w.