Gemeindewege. 67
Der G. wird, von kleineren Landgemeinden abgesehen, nach einem vorgängigen
Etat geführt, in den alle Ausgaben, Einnahmen und Dienste, soweit eine Voraus-
bestimmung möglich, aufzunehmen sind. Dieser Etat muß jährlich oder doch perio-
disch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Ortsbehörde entworfen, eine be-
stimmte Zeit hindurch ausgelegt und von der Gesammtheit oder ihrem Ausschuß
festgestellt werden. An den festgestellten Etat ist die Gemeindeverwaltung gebunden,
soweit sie nicht für außeretatmäßige Ausgaben eine besondere Genehmigung erlangt.
Nach manchen Gemeindeordnungen hat auch die Staatsbehörde bei der Feststellung
des Etats mitzuwirken und ihn schließlich zu genehmigen; nach anderen (z. B
Preuß. und Hannöv. Städteordn.) muß derselbe ihr wenigstens mitgetheilt werden,
es ist ihre Zustimmung zu einzelnen Positionen, besonders bei Gehältern und Pen-
sionen, erforderlich, und sie kann gesetzlich nothwendige Ausgaben, welche im Etat
fehlen, demselben hinzufügen. Am Schlusse jeder Etatsperiode hat die Gemeinde-
verwaltungsbehörde Rechnung zu legen. Die Rechnung wird von der Gemeinde-
versammlung oder ihrem Repräsentativausschuß geprüft und festgestellt und dem-
gemäß Decharge ertheilt. Auch hierbei hat nach vielen Gemeindeordnungen die Auf-
sichtsbehörde noch mitzuwirken oder es wird gar ihr die Abnahme, Revision und
Dechargeertheilung vorbehalten. Die freier gestellten Gemeinden dagegen (z. B. die
Städte in Preußen und Hannover und alle Gemeinden in Braunschweig) sind nur
zur Mittheilung des Rechnungsabschlusses an die Regierung verpflichtet.
Lit. über Gemeindewesen: Die betreffenden Abschnitte der Lehr= und Handbücher
über Rechtsgesch., Privatrecht und Staatsrecht. Umfassende Monographien existiren nur über
die geschichtl. Entwicklung der Gemeindeverhältnisse. Vgl. die näheren Nachweise bei Gierke,
Rechtsgesch, der Deutschen Genossenschaft, 8§8 7—9, 21, 24, 28—30, 33—35, 52—533, 55—56. —
Eine Uebersicht der damals geltenden Rechte der Ortsgemeinden ebenda 8 57. — leber einzelne
Punkte des heutigen Gemeinderechts handeln: v. Giech, Ansichten über Staats= und öffentl.
Leben, Nürnb. 1843. — Stüve, Wesen u. Verfassung der Landgemeinden und des ländlichen
Grundbesitzes in Niedersachsen u. Westfalen, Jena 1851. — Weiske, Sammlung der neueren
teutschen Gemeindegesetze mit einer Einleitung: Die Gemeinde als Korporation, Leipz. 1848. —
v. Beisler, Betrachtung über Gemeindeverfassung u. Gewerbswesen, Augsburg 1831. —
v. Möller, Preuß. Stadtrecht, Breslau 1864; Vesselbe, Landgemei Wen u. Gutsherrschaften
nach Preuß. R., Breslau 1865. — Stolp, Bie Gemeindeverfassung Deutschlands u. des Aus-
landes, 1870. — Bgl, auch die Art. Gemeinde von Mittermaier in Weiske's Rechts-
lexikon, sowie Gemeinde von Brater und Stadt= u. Landgemeinde von Schäffle in
Bluntschli's Staats Wört. B. — Nähere Nachweise bei Zachariä, Deutsches Staats= und
Bundesrecht, §§ 105 ff. — Zöpfl, Staatsrecht, §§ 420 ff. — v. Rönne, Preuß. Staats-
recht, §§ 305 ff. — Held, System des Verfassungsrechts der monarch. Staaten Deutschlands,
II. 497 ff. — v. Mohl, Staatsrecht des Königreich= Württemberg, II. S. 143 ff.
" Stein, Verwaltungsl., I. 2 S. 214 ff. — H. Schulze, Das Preuß. Staatsrecht, I.
* 88 131 ss. — Pözl, Bayer. Verfassungerecht, E. Mäffl. S. 245 ff. — G. Meyer,
Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, §§ 110 ff. u. O. Gierke.
Gemeindewege (viae vicinales) umfassen diejenigen Fahr-, Reit= und Fuß-
wege, welche dem Publikum zum Verkehr zwischen einzelnen Ortschaften dienen und
als solche von den Gemeinden zu unterhalten sind. Sie unterscheiden sich einerseits
von den Privatwegen (Interessentenwegen), an deren Benutzung und urulteis
haltung nur bestimmte Interessenten bzw. Inhaber von Grundstücken betheiligt sind;
andererseits von Land= und Heerstraßen, deren Unterhaltung nach den Deutschen
Reichsgesetzen den reichsständischen Obrigkeiten zur Pflicht gemacht war, deren Unter-
haltung daher in der Regel als Staatslast erscheint (s. den Art. Wegeordnungen).
Das eigenthümlich verwickelte System der G. ist in Deutschland aus dem
Verwachsen der alten Markgenossenschaften mit den neueren Ortsgemeindeverbänden
hervorgegangen. Die Mehrzahl dieser Wege ist wol ursprünglich im engeren Kreise
der Markgenossenschaft zu wirthschaftlichen und Verkehrszwecken unter bestimmten
Interessenten entstanden. Wo geschlossene Güter bestanden, erhielt die Grundherr-
schaft diese Wege durch die Frohndienste ihrer Hintersassen, zu denen die Herrschaft
das Material und die Handwerkerlöhne hergab. Wo besondere Bauerfeldmarken
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