Meineid. 737
geschworene, bezüglich welcher der Schwörende das Recht hatte, die Abgabe eines
Zeugnisses zu verweigern, ohne davon in Kenntniß gesetzt worden zu sein. Ebenso
der Eid desjenigen, der über ihn selbst kompromittirende Thatsachen Auskunft zu
geben veranlaßt werden will. Das Rtraf B. läßt diese Umstände nicht als Straf-
ausschließungsgründe, sondern nur als Milderungsgründe gelten (s. unten). Anders die
Oesterr. Praxis, der Oesterr. Entwurf, das Ungarische Straf G# B., ehedem das Bayerische
und das Badische. 4) Ein Widerspruch zwischen der eidlichen Aussage und dem That-
bestande, worauf sie sich bezieht. Wichtig ist die genaue Abgrenzung dieses Thatbestandes.
In subjektiver Hinsicht gehört zum M. Bewußtsein von dem eben bezeich-
neten Widerspruche, und zwar beim assertorischen Eide im Momente des Aussprechens
der Formel. Die Uebereinstimmung der letzteren mit den religiösen Anschauungen
des Schwörenden ist gleichgültig. Der Grund seiner rechtlichen Verantwortlichkeit
liegt nicht in der Macht der Formel über sein Gemüth, sondern in deren staatlicher
Geltung (verschiedene Ansichten bei Oppenhoff). — Verschieden vom M. ist der
fahrlässige Falscheid, der vom Rtraf GB. als ein besonderes Delikt (§& 163)
behandelt wird (ebenso Ungarn, ehedem Preußen, Sachsen, Thüringen, Braunschweig,
Hamburg, Oldenburg).
Vollendung liegt beim assertorischen Eide vor, sobald die Eidesformel aus-
gesprochen ist (in Betreff des promissorischen Eides s. d. Art. Eidesbruch);
Versuch, wenn die Eidesleistung begonnen hat. Die bloße Bereiterklärung zu
letzterer enthält ihn nicht. (Verschiedene Urtheile bei Oppenhoff.) — Die ver-
suchte Verleitung zum M. und, bzw. zur wissentlichen Abgabe einer falschen
Versicherung an Eidesstatt wird häufig speziell bedroht. So im Rötraf GB. (§ 159),
im Ungarischen und im Belgischen StrafSB. — Jenes enthält ferner eine be-
sondere Strafbestimmung gegen die Verleitung zur (gutgläubigen) Ableistung eines
falschen Eides oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt (§ 160). — Wird eine
Mehrheit von Aussagen nur einmal oder eine bestimmte Aussage zweimal be-
schworen, so liegt nur Ein (fortgesetztes) Delikt vor.
Die höchste Stufe der Strafbarkeit nimmt im Allgemeinen der M. in Straf-
sachen ein, der aber selbst wieder auf sehr verschiedenen Stufen stehen kann. Es ist
hier zu unterscheiden, ob der M. völlig wirkungslos blieb, oder ob er eine Rechts-
gefährdung oder eine effektive Rechtsverletzung herbeiführte, und im letzteren Falle,
ob eine ungerechte Freisprechung oder eine ungerechte Verurtheilung erfolgte, und
wieder im letzteren, ob das Urtheil zum Vollzug kam oder nicht, und ob es sich
um eine schwerere oder eine gelindere Bestrafung handelte (vgl. RStraf GB. § 154, 2).
Die CCC drohte hier Talion (vgl. den Code pénal art. 361, Sachsen 223, Baden
488, 489). Die Handlung wird hier regelmäßig, wie beim M überhaupt, zugleich
unter einen anderen Verbrechensbegriff fallen. So kann sie die Merkmale des ver-
suchten oder vollendeten Mords oder der widerrechtlichen Freiheitsberaubung an sich
haben 2c. Der M. in Civilsachen wird in den meisten und wichtigsten Fällen
(nämlich abgesehen von den Fällen der Selbsthülfe und den unter § 162 zu
ziehenden) die Merkmale des Betrugsversuchs haben. Ueberall ist hier das strengste
Strafgesetz zur Anwendung zu bringen.
Der aus eigenem Antriebe, vor Eintritt eines Rechtsnachtheils für Dritte er-
folgende Widerruf wird vom Rötraf GB. nur in Bezug auf den fahrlässigen Falscheid
als Strafausschließungsgrund behandelt (weiter geht Ungarn, ehedem Braunschweig,
Bayern und Sachsen); in Bezug auf den M. und die wissentlich falsche Versicherung
an Eidesstatt blos als Milderungsgrund (§ 158). Außerdem kennt dasselbe als
Milderungsgründe in Bezug auf die letzteren Delikte: 1) Den Umstand, daß die
Handlung zu Gunsten von Angehörigen begangen wurde, ohne daß der Schuldige
über sein Recht, die Aussage abzulehnen, belehrt wurde; 2) den Umstand, daß die
Aussage der Wahrheit für den Schuldigen selbst die Gefahr der Verfolgung wegen
eines Verbrechens oder Vergehens begründet haben würde (§ 157).
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 47