Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Gemeinheitstheilung. 73 
Was zunächst den Theilungsfall angeht, so ist die Forderung vieler 
Theoretiker, daß jedes im wahren Gesammteigenthum stehende Gemeinland nur bei 
Uebereinstimmung sämmtlicher Berechtigten getheilt werden dürfe, da sonst über wohl- 
erworbene Rechte willkürlich verfügt würde, von der Gesetzgebung nirgend berücksichtigt 
worden. Dieselbe sucht vielmehr, ohne die verschiedenartigen Fälle der Gesammt- 
und Sonderrechte am Gemeinland zu unterscheiden, die Theilung jeder Gemeinheit 
auch bei dem Widerspruch einzelner Interessenten zu ermöglichen. Am weitesten in 
dieser Richtung ging die Preuß. Gesetzgebung (Allg. LR. I. 17 88 311 ff. und 
G.sordnung §§ 4 u. 17), welche von dem Gesichtspunkt des Miteigenthums aus 
jedem Theilnehmer das Recht gab, eine Theilung herbeizuführen; doch hat die spätere 
Gesetzgebung dieses Provokationsrecht wefentlich eingeschränkt. Andere Gesetze geben 
dem Einzelnen nur das Recht, unter gewissen Bedingungen die Ausscheidung seines 
Antheils zu verlangen (so Lüneb. G.sordnung § 35; Sächs. Ablös. Ord. § 133; 
Osnabr. G.sordnung § 15; kurh. Verordn. v. 13. Mai 1867 F 1), schreiben da- 
gegen für die völlige Auftheilung einen Mehrheitsbeschluß vor. Die Moajorität 
wird bald nach Köpfen (z. B. Großh. Hess. G.Sordnung § 41), bald nach Grund- 
besitzungen, resp. Genußrechten (z. B. in Hannover) berechnet. Manche Gesetze 
fordern eine mehr als einfache Mehrheit, so z. B. Baden und Gotha Dreiviertels- 
mehrheit, Bayern überdies, daß die zustimmenden drei Viertel der Gemeindebürger 
mehr als die Hälfte der sämmtlichen Grundsteuern in der Gemeinde entrichten. Oft 
wird auch die Genehmigung der Staatsbehörde verlangt. 
Theilungsinteressenten bei der G. sind nicht nur die Mitträger der 
bisherigen Gemeinschaft, sondern auch diejenigen, welche am Gemeindegut als an 
einer fremden Sache feste privatrechtliche Nutzungsbefugnisse haben. Für diese kommt 
der Gesichtspunkt der Entschädigung in Betracht, während für die Gesammteigen- 
thümer nur der bis dahin unausgeschiedene und korporativ gebundene Antheil aus- 
geschieden und frei wird. Es bedarf daher, um die Nutzungsrechte der zweiten Art 
abzulösen und in Land oder anderweit abzufinden, besonderer gesetzlicher Bestimmungen 
oder freiwilliger Vereinbarung. Diejenigen, welche das Gesammteigenthum leugnen 
und jedes Gemeindegut für ein freies Eigenthum der juristischen Person erklären, an 
welchem nur den Einzelnen jura in re aliena zustehen, müssen überhaupt die G. 
als eine Veräußerung des Korporationseigenthums an die Glieder bei gleichzeitiger 
Abfindung der expropriirten Sonderrechte konstruiren. 
Der nach Zweckmäßigkeit und Recht bestrittenste und von den Gesetzen am 
verschiedensten beantwortete Punkt der G.sordnung ist der Theilungsmaßstab. 
Namentlich haben zwei Ansichten in der Theorie und Praxis Vertheidiger gefunden. 
Die Einen wollen nach Köpfen theilen (Thibaut). Diesem Prinzip schließt sich 
z. B. die Bad. Gesetzgebung (Gemeindeordn. von 1858 § 127), früher auch die 
Bayer. an; doch wird bei Nutzungen von verschiedenem Umfange deren Werth veran- 
schlagt und Entschädigung dafür geleistet. Verbreiteter ist die zweite Ansicht, daß 
der Umfang der Nutzungsrechte maßgebend sein soll (Gaudlitz). Sind die Nutzungs- 
rechte nicht nach ideellen Quoten oder in anderer Weise, z. B. nach der Stückzahl 
des weideberechtigten Viehes fest bestimmt, so soll wiederum nach manchen Gesetzen 
(z. B. Preuß. LR.) der Durchwinterungsmaßstab, nach anderen (z. B. Lüneb., 
Hannov., Preuß. G.sordnung von 1821) der bisherige wirkliche Viehstand und nur 
subsidiär der Durchwinterungsfuß, nach wieder anderen (z. B. Oesterr. v. 1768) 
die Größe des Grundbesitzes, nach noch anderen (z. B. Schlesw.-Holst. v. 1779) 
das Verhältniß der Beiträge zu den Gemeindelasten oder endlich ein aus den ver- 
schiedenen Maßstäben kombinirtes System entscheiden. Wo es an einer positiven 
Anordnung fehlt, wird es darauf ankommen, die konkrete Frage zu beantworten, 
inwieweit das Nutzungsrecht des Einzelnen sich als Ausdruck einer Gesammteigenthums- 
quote darstellt oder nur als Ausfluß der Mitgliedschaft in der Gemeinde erscheint.
	        
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