Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Militärpflicht. 759 
und 109). Als dauernde organische Einrichtung ist aber die allgemeine Wehrpflicht 
durch das Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. September 1814 
begründet worden. Den bisher nur gesetzlichen Grundsatz hat dann die Verf. Urk. 
Art. 14 zu einem grundgesetzlichen erhoben, indem sie vorschreibt, daß alle Preußen 
wehrpflichtig sind, und hinzufügt, daß der Umfang und die Art dieser Pflicht durch 
das Gesetz bestimmt werden. Durch die Königlichen Erlasse vom 13. Oktober 1866 
und vom 12. Januar 1867 wurde die allgemeine Wehrpflicht nach Maßgabe der 
für die übrigen Provinzen gültigen Bestimmungen auch in den neu erworbenen 
Landestheilen eingeführt. Die Norddeutsche Bundesverfassung endlich hat im Art. 
57: „Jeder Norddeutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht 
nicht vertreten lassen“, die allgemeine Wehrpflicht auf das ganze Gebiet des Bundes 
ausgedehnt. Durch die gleichlautende Bestimmung der Deutschen Reichsverfassung 
ist dieselbe eine gemeinsame Einrichtung für ganz Deutschland geworden. Odbgleich 
aber nach Art. 61 der Bundesverfassung die gesammte Preußische Militärgesetzgebung 
in dem ganzen Bundesgebiete ungesäumt eingeführt werden sollte, so ist doch die 
Publikation des Gesetzes vom 3. September 1814 über die Verpflichtung zum 
Kriegsdienste von Bundeswegen nicht erfolgt, sondern bereits dem ersten ordentlichen 
Reichstage mittels Botschaft vom 23. September 1867 der vom Bundesrathe be- 
schlossene Entwurf eines derartigen Bundesgesetzes vorgelegt worden, und auf Grund 
dessen das Bundesgesetz vom 9. November 1867, betr. die Verpflichtung zum Kriegs- 
dienste, ergangen. Durch das Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 (Abschnitt II, 
Ergänzung des Heeres) sind dann eingehende Bestimmungen über die Zurückstellung 
Militärpflichtiger, über die Ersatzreserve, über die Zusammensetzung der Ersatzbehörden 2c. 
getroffen, und damit eine Reihe wichtiger Normen, welche früher der Verordnungssphäre 
angehörten, in die Sphäre gesetzlicher Feststellung erhoben worden. Die Ausübung 
der militärischen Kontrole über die Personen des Beurlaubtenstandes, die Uebungen 
derselben, sowie die gegen sie zulässigen Disziplinarstrafmittel sind durch das Reichs- 
gesetz vom 15. Februar 1875 näher geregelt worden. Endlich hat das Reichsgesetz 
vom 6. Mai 1880 betr. Ergänzungen und Aenderungen des Reichemilitärgesetzes vom 
2. Mai 1874 dieses letztere auf wesentlichen Punkten modifizirt. Zur Ausführung 
der Gesetze vom 9. Nov. 1867 und 2. Mai 1874 sind dann unterm 28. Sept. 1875 
einerseits die Wehrordnung, welche an die Stelle der Militär-Ersatz-Instruktion vom 
26. März 1868 getreten ist und welche in zwei Abschnitte, die Ersatzordnung und 
die Kontrolordnung, zerfällt, andererseits die Heerordnung, welche die spezifisch mili- 
tärischen Ergänzungen der Wehrordnung enthält und sich zunächst nur auf Preußen 
bezieht, übrigens in die beiden Abschnitte der Rekrutirungsordnung und der Landwehr- 
ordnung zerfällt, erlassen worden. Die Wehrordnung vom 28. September 1875 
hat endlich unterm 31. August 1880 eine Reihe von Abänderungen und Zusätzen 
erhalten. 
Von der Wehrpflicht sind gegenwärtig nur noch befreit die Mitglieder regie- 
render Häuser und die Mitglieder der mediatisirten, vormals reichsständischen, und 
derjenigen Häuser, welchen die Befreiung von der Wehrpflicht durch Verträge zu- 
gesichert ist oder auf Grund besonderer Rechtstitel zusteht. (Bundesacte Art. 14, 
Lit. c. Nr. 3; Preuß. Verordn. vom 11. Juni 1815, § 1 Nr. 3; Instruktion vom 
30. Mai 1820, § 13 Lit. a.; Verf. Urk. Art. 34; Gesetz vom 10. Juni 1855 und 
Verordn. vom 12. Nov. 1855.) Demgemäß sind also insbesondere Mennoniten 
dienstpflichtig, obgleich erst durch die Verordn. vom 24. Juni 1867 ihre Befreiung 
nach Maßgabe der Kab. Ordre vom 16. Mai 1830 hinsichtlich der neuen Landes- 
theile ausgesprochen war. (Ueber die sehr verwickelten Rechtsverhältnisse der Men- 
noniten s. Rönne, I. 1 [18691, S. 85 ff.) Diejenigen Wehrpflichtigen übrigens, 
welche zwar nicht zum Waffendienst, jedoch zu sonstigen militärischen Dienstleistungen, 
welche ihrem bürgerlichen Beruf entsprechen, fähig sind, können zu solchen heran- 
gezogen werden, und die Kab. Ordre vom 2. März 1868 hat bestimmt, daß die-
	        
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