Militärstrafverfahren. 763
Verzicht leistend angesehen werden. Der Verzicht auf die Rückkehr kann als vor-
handen angesehen werden, wenn der Naturalisirte sich länger als zwei Jahre in
Deutschland aufhält. Diese Verträge wurden sowol diesseits als jenfseits des Ozeans
heftig angegriffen. Deutscherseits wurde u. A. behauptet, es seien den Vereinigten
Staaten ohne effektive Gegenleistung unzulässige Zugeständnisse gemacht, während
Amerikanischerseits geklagt wurde, die Vereinigte Staatenregierung habe die Rechte
naturalisirter Amerikanischer Bürger Preis gegeben. Indessen meinte der Leiter der
Deutschen auswärtigen Politik mit Recht, daß die dem Vertrage entgegenstehenden
theoretischen Bedenken hinter den wohlthätigen praktischen Folgen zurücktreten müßten,
und an maßgebender Amerikanischer Stelle kannte man die Schliche vaterlandsloser
Individuen zu gut, um ihretwegen die freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschland
aufs Spiel zu setzen. So ist denn auch von keiner Seite die seit Ende 1877 zu-
lässige Kündigung der Verträge erfolgt. Präsident Hayes erkennt in seiner Botschaft
vom 6. Dezbr. 1880 ausdrücklich an, daß Beschwerden naturalisirter Amerikaner
über ausländische Behörden niemals seltener als jetzt vorgekommen seien. Daß die
vom Abgeordneten Deuster am 13. Dezbr. 1880 eingebrachte Bill zur Aufhebung
der Verträge von 1868 führen werde, ist um so weniger anzunehmen, als der Kon-
greß am 4. März 1881 seine Sitzungen schließt.
Auf Elsaß-Lothringen sind die Bancroftverträge bisher nicht ausgedehnt worden.
Quellen u. Lit.: Deutsche Wehrordnung vom 28. Septbr. 1875 (Centralbl. für das
Deutsche Reich S. 535 und im Separatabdruck, Berlin, R. v. Decker's Verlag). — Vertrag
zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 22. Febr.
1868 (B.G.Bl. S. 228). Dazu Cirk.Verf. des Preuß. Ministers des Innern vom 18. Juni
1880 in der Nordd. Allgem. Ztg. vom 29. Juni 1880, Nr. 298. — Die Süddeutschen Verträge
im Bayer. Reg. Bl. 1868, S. 2153; Gesetz= und Verordn. Bl. für Baden, 1869, S. 579;
Reg. Bl. für Württemb. 1872, S. 172; Großherzogl. Hessisches Reg. Bl., 1869, S. 599. —
Regulations for the consular service of the U. St. 1874, p. 30, 237. — v. Martitz, Das
Recht der Staatsangehörigkeit im internationalen Verkehre, Leipz. 1875. — Kapp, Der Deutsch-
amerikanische Vertrag v. 22. Febr. 1868 in den Preuß. Hahrbt. für 1875. — Report Nr. 96
des Committee des Repräs. Hauses zu Washington vom 16. Febr. 1876. — Rede des Bericht-
erstatters Faulkner im Deutschen Reichsanz. v. 29. Febr. 1876, Nr. 52. — Sir Alex.
Cockburn (Lord Chief Justice), Nationality, London 1869. — Wesendonk in Hirth's
Annalen, 1877 S. 204. — Cirk. des Staatsdepart. in Washington vom Novbr. 1880 in dem
Cincinnati Volksbl. vom 13. Nov. 1880. — Calvo, Droit intern., 3. Aufl., II. S. L
ontg.
Militärstrafverfahren (John, Th. I. Suppl. S. 21), ein Gegenstand lebhafter
Erörterungen auf dem Gebiete der Gesetzgebung; für das Deutsche Reich nach
Preußischem Muster einheitlich geordnet, doch mit Abweichungen für die Königreiche
Sachsen, Bayern und Württemberg. Von jeher haben in Deutschland Militär-
gerichte bestanden, und zwar von den Zeiten her, da die Ritterschaft einen besonderen
Stand bildete, als Standesgerichte (judicia parium). Ein eigener militärischer
Justizbeamter kommt schon früh in der Reichsgesetzgebung zum Vorschein („Feld-
schultheiß" für die einzelnen Truppenabtheilungen; seit dem 16. Jahrhundert nach
Spanischem Vorbilde Auditor genannt, während in Frankreich die entsprechenden
Funktionen von Offizieren wahrgenommen werden, ofliciers du gouvernement; capitaines
rapporteurs). Charakteristisch geblieben ist die Abhängigkeit des Verfahrens vom
„Gerichtsherrn“, dem Militärbefehlshaber. Dies gilt insbesondere für die Ein-
leitung einer Untersuchung, während für den weiteren Verlauf die Bestimmungen
verschieden. Die Rechtsgültigkeit der Urtheile ist, mindestens in den wichtigeren Sachen,
von einer Bestätigung durch den König oder höhere Befehlshaber abhängig (in
Bayern und Württemberg die sog. nothwendige Revision durch Militärgerichtsbehörden).
Im Einzelnen, namentlich innerhalb des Verfahrens, besteht große Verschiedenheit.
Die Zuständigkeit der Militärgerichte erstreckt sich sach lich auf Straf-
sachen, mit Ausnahmen für Uebertretungen und andere geringfügige Frevel. Sie
umfaßt die Verbrechen und Vergehen auch von nicht militärischem Charakter, deren
Ueberweisung an die Eivilgerichte neuerdings vielfach verlangt wird. Gewisse Fälle