Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

798 Mora. 
(I. 8 § 1; I1. 20 D. de cond. furt. 13, 1). Unbegründet ist dagegen nach 
Röm. Recht der Satz: Dies interpellat pro homine, d. h. die Behauptung, 
daß der Eintritt eines bestummten von vornherein gewissen Anfangstermins gleich 
einer Aufforderung wirke. Diese Annahme widerspricht dem Grundsatze, daß die 
Festsetzung eines Termins im Zweifel als Begünstigung des Schuldners durch Ge- 
währung einer Frist gilt, und wird nicht bewiesen durch l. 33 D. de V. O., aus 
welcher man sie durch ein keineswegs sicheres argumentum a contrario ableitet, durch 
1. 114 eod., welche Interpellation zwar nicht ausdrücklich fordert, aber doch wol 
voraussetzt, und durch l. 10 C. de act. emt. 4, 49, welche auf einen Fall der Ver- 
eitelung der Erfüllung sich begiehen läßt. Doch hat jener Satz sich seit den Glossatoren 
eingebürgert und ist namentlich auch in Deutschland rezipirt worden. Ein mehr als 
vereinzelter Widerspruch gegen denselben besteht erst seit 1822 und die Praris ist ihm 
vorwiegend treu geblieben, weshalb er wol als gemeines Gewohnheitsrecht gelten mag. 
2) Ausgeschlossen wird die durch die Interpellation dem Schuldner zugeschobene 
Verantwortlichkeit für seine fernere Säumniß a) durch entschuldbare Unkenntniß der 
Schuld; da es sich aber um einen Irrthum über eigene Rechtsverhältnisse (error 
de jure suo) handelt, bedarf seine Entschuldbarkeit eines speziellen Nachweises (I. 24, 
pr. D. h. t.; I. 42 D. de R. I.; I. 5 D. de reb. cred.). b) Daß die verlangte 
Erfüllung nicht in seiner Macht gelegen, ist ein den Schuldner nicht schlechthin ent- 
schuldigender Umstand. Indem der Schuldner für die Erfüllung seiner Verbindlich- 
keit haftet, haftet er auch für seine persönliche und pekuniäre Fähigkeit zur Er- 
bringung der geschuldeten Leistung und wird durch sein Unvermögen nicht entschul- 
digt. Es entschuldigt daher weder die Entblößung von Geldmitteln das Ausbleiben 
pekuniärer Leistungen, noch wird das Ausbleiben persönlicher Arbeitsleistungen ent- 
schuldigt durch den Mangel desjenigen spezifischen Könnens, dessen Bethätigung ge- 
schuldet wird. Habe ich z. B. die Mittheilung bestimmter Kenntnisse übernommen, 
so entschuldigt mich nicht der wenn auch noch so unverschuldete Mangel dieser 
Kenntnisse, sollte auch ihr bis zum betreffenden Termine mit vollem Grund in Aus- 
sicht genommener Erwerb durch einen nicht vorherzusehenden Zufall vereitelt worden 
sein (I. 137 § 4 D. de V. 0.). Dagegen entschuldigen den Verpflichteten solche 
von ihm nicht verschuldete Hindernisse, welche unabhängig von der spezifischen Natur 
der geschuldeten Leistung ihre rechtzeitige Ablieferung an den Gläubiger ausschließen, 
welche also nicht die Leistungsfähigkeit des Schuldners, sondern nur die Möglichkeit 
ihrer Bethätigung zur bestimmten Zeit aufheben, wie namentlich alle die erforderliche 
Kommunikation mit dem Gläubiger abschneidenden Zufälle (I. 23 pr. D. h. t.). 
C. Die Wirkung der M. debitoris ist eine doppelte, indem sie sowol den In- 
halt als die Dauer der Verbindlichkeit ausdehnt, d. h. nicht nur das Maß des 
Geschuldeten erhöht, sondern auch das Erlöschen der Schuld durch gewisse sie sonst 
tilgende Umstände ausschließt. 
1) Wie im Falle verschuldeter Vereitelung der Erfüllung anstatt dieser ihr 
Interesse geschuldet wird, so wird im Falle rechtswidriger Verzögerung der Erfüllung 
neben dieser das Interesse rechtzeitiger Erfüllung, die utilitas temporis geschuldet. 
Es sind daher dem Gläubiger zu ersetzen alle durch Unterlassung rechtzeitiger Er- 
füllung ihm entgangenen Vortheile und erwachsenen Nachtheile, und zu letzteren wird 
hier auch vermöge des unter Nr. 2 zu erörternden Prinzips jede Entwerthung der 
Sache gerechnet, so daß dem Gläubiger zu ersetzen ist der Mehrwerth der Sache zur 
Zeit der eingetretenen M. und daher seitens des durch Fortsetzung der Vorenthaltung 
in stets erneuter M. befindlichen Deliktsschuldners der höchste Mehrwerth der Zwischen- 
zeit. Geschuldete Gelder sind vom Eintritte der M. an zu verzinsen (I.I. 8, 32 § 2 
D. h. t.; 1. 3 § 3 D. de act. emt. 19, 1; 1. 8 § 1 D. de cond. furt. 13, 1). 
2) Wird nach eingetretener M. die Vollziehung der geschuldeten Leistung, wenn- 
gleich ohne Verschulden des Verpflichteten unmöglich, so hat dieser dem Gläubiger 
ihr volles Interesse zu ersetzen. Zweifelhaft ist, ob in dieser von den Quellen als
	        
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