Moratorium. 801
b) Bei solchen Sachen, welche zur Deposition sich nicht eignen, ist der Schuldner
nach vorgängiger, eine hinreichende Frist gewährender Androhung zur Preisgebung
befugt, falls sein Interesse dieses erforderte, ist aber hierbei zur Wahl des den
Gläubiger am wenigsten schädigenden Mittels verpflichtet. Soweit aber die Preis-
gebung nicht eine Vernichtung der preisgegebenen Sachen in sich schließt, ist sie
nicht Dereliktion, sondern Traditionsofferte und befreit sie den Schuldner gleich
vollendeter Tradition nur unter der Voraussetzung, daß er die Sache nicht wieder
an sich nimmt (I. 1 § 3, 4; I.I. 12, 14 fr. de per. 18, 6).
III. Die M. erlischt und hört auf fernere Wirkungen zu erzeugen als M. cre-
ditoris durch Erklärung der Bereitschaft zur Entgegennahme der geschuldeten Leistung,
sowie zum Ersatze des Interesses rechtzeitiger Abnahme, als M. debitorts durch
Versetzung des Gläubigers in M., sowie durch Erlangung einer Frist für deren
Dauer. Von selbst versteht sich, daß die M. jede Bedeutung verliert, wenn die
durch sie modifizirte Obligation gänzlich erlischt.
Die Römische Auffassung und Behandlung der M. liegt im Ganzen auch den
neueren Gesetzgebungen zu Grunde.
Quellen: D. de usuris et... mora 22, 1.
Lit.: Madai, Die Lehre von der Mora (1837). — Wolff, Zur Lehre von der Mora
(1841). — F. Mommsen, Beitr. zum Oblig.R., III. (1855). — Kniep, Die Mora des
Schuldners (1871, 2). — Manns, Von der Mora (1878). — Kohler, Annahme und An-
nahmeverzug in Ihering's Jahrb. XVII. S. 261 ff. — Windscheid, Lehrb. d. Pand.R.,
5T 276—281 (mora debitoris), 9§§ 345—347 (mora creditoris). — Brinz, 2. Aufl., II. 8§ 271
bis 275, S. 287—312. — Dernburg, Preuß. Priv.R, II. 8§§ 71—73. Hölder.
Moratorium (v. Bar, Th. I. Suppl. S. 91) ist die einem zahlungs-
unfähigen Schuldner von seinen Gläubigern oder vom Regenten gewährte Bewilligung
eines Aufschubs für die Zahlung seiner Verbindlichkeiten. Das Institut stammt aus
dem Röm. Recht; sein Name aber kommt in den Römischen Quellen nicht vor,
dürfte vielmehr, wie Windscheid hervorhebt, im Anhalt an die moratoria
praescriptio der 1. 2 C. precibus Imp. off. 1, 19 erst später gebildet sein, wird
auch von manchen Rechtslehrern auf die landesherrliche Bewilligung beschränkt,
während sie die von den Gläubigern ausgehende durch Stundung bezeichnen.
Die Verhältnisse des M. im Röm. Recht sind sehr dunkel. Das landesherrliche
scheint in Reskriptsform ertheilt zu sein und gewährt eine moratoria praescriptio,
dürfte hiernach nur gegenüber einem einzelnen Gläubiger gewährt worden sein und
wie es der Anfechtung wegen Erschleichung unterlag, so ist seine Anwendung auch
von Stellung von Bürgen für die Zahlung der Schuld abhängig gemacht. Das
von den Gläubigern gewährte M. wird im Konkursrecht erwähnt und gestaltet sich
im Gegensatze zum pactum de non petendo intra tempus in der Weise, daß durch
Dazwischenkunft des Regenten den Gläubigern, hypothekarische einbegriffen, die Wahl
gestellt wird, dem Schuldner einen Ausstand von fünf Jahren oder die cessio
bonorum ((. diesen Art.) zu bewilligen, und die Gläubiger hierüber nach Majorität
der Forderungen und eventuell der Personen entscheiden, bei Stimmengleichheit aber
das M. angenommen ist. Im Gem. Recht sind die Verhältnisse der einen Form
zur Ergänzung der anderen benutzt worden. Die RPol. O. von 1577 überträgt
fünfjährige Dauer und Zuständigkeit gegen alle Gläubiger auf das landesherrliche
M., das daher auch Ouinquenel, Indult oder Anstandsbrief genannt wird, und die
spätere Deutsche wie außerdeutsche Gesetzgebung haben sogar für ganze Bevölkerungs-
klassen, z. B. Kaufleute, und ganze Länder und Landestheile allgemeine M. auf-
gebracht. Umgekehrt ist das Erforderniß der Sicherheitsleistung, sowie die von der
NPol.O. aufsgestellte Voraussetzung der Mitleidswürdigkeit des Schuldners, wozu
Andere noch die Wahrscheinlichkeit fordern, daß der Schuldner nach Ablauf der Zeit
zur Befriedigung seiner Gläubiger im Stande sein werde, auf das Indult der
Gläubiger übertragen, letzteres auch von der Intervention des Regenten losgelöst und
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 51