Generalversammlung. 81
geschrieben, daß alle Beschlüsse der G. in ein Protokollbuch einzutragen sind, dessen
Einsicht jedem Genossenschafter und der Staatsbehörde gestattet werden muß (§ 33).
Die Beschlußfassung erfolgt im Zweifel mit einfacher Mehrheit der anwesenden
Stimmen. Bei Stimmengleichheit ist ein Beschluß nicht zu Stande gekommen.
Soll über gewisse Gegenstände nur durch eine größere Stimmenmehrheit oder nach
anderen Erfordernissen Beschluß gefaßt werden können, so bedarf es dazu ausdrück-
licher statutarischer Festsetzung (HGB. Art. 209 Nr. 11; Genossenschaftsges. § 3
Nr. 10). Die Statuten fordern in der That regelmäßig für gewisse wichtige Be-
schlüsse eine größere oder eine qualifizirte Mehrheit, auch wol Wiederholung des
Beschlusses nach Ablauf einer bestimmten Frist oder anderweite erschwerende Be-
dingungen.
Der Wirkungskreis der G. wird im Allgemeinen dadurch bestimmt, daß sie das
oberste Organ der Körperschaft ist. Der G. gebührt daher im Zweifel den übrigen
Organen gegenüber die Ausübung der korporativen Autonomie, die letzte Entschei-
dung, die Ertheilung bindender Anweisungen, die oberste Aufsicht. Das Deutsche
HG#B. beruft die G. speziell zur Führung von Prozessen gegen den Vorstand oder
den Aufsichtsrath durch gewählte oder in Nothfällen vom Handelsgericht auf Antrag
ernannte Bevollmächtigte (Art. 226), legt ihr die Befugniß zu einer freilich nur
nach innen wirksamen Einschränkung der Vertretungsrechte des Vorstandes bei (Art.
231), und spricht in Art. 224 den allgemeinen Satz aus: „Die Rechte, welche den
Aktionären in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Beziehung auf
die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz und die Bestim-
mung der Gewinnvertheilung zustehen, werden von der Gesammtheit der Aktionäre
in der G. ausgeübt.“ Analoge Kompetenzen überweist das Genossenschaftsges. der G.
(§§ 29, 21, 10); dazu tritt hier noch die Wahl des etwaigen Aufsichtsraths und
die Entscheidung über die von diesem vollzogene Suspension von Vorstandsmitglie-
dern und Beamten (§ 28). Die Statuten können aber den Wirkungskreis der G.
näher fixiren, beschränken und erweitern. Insbesondere ist die G. häufig zur Vor-
nahme von Wahlen, zur Absetzung von Vorstands= und Aussichtsrathsmitgliedern,
zur Ertheilung der Decharge berufen; es wird ihre Zustimmung zu wichtigen Ge-
schäftsoperationen, zu Erwerb und Veräußerung von Liegenschaften, zu Neubauten,
zu Vergleichen, zur Aufnahme von Anleihen 2c. gefordert; es wird ihr und nur ihr
das Recht der Beschlußfassung über Abänderung des Grundkapitals, der Zeitdauer
oder des Gegenstandes der gesellschaftlichen Unternehmung eingeräumt.
Obwol aber die G. so das oberste Organ und als solches im Zweifel in allen
korporativen Angelegenheiten kompetent ist, so bleibt sie doch eben nur Organ und
deckt sich weder mit der Körperschaft selbst noch mit der Gesammtheit der zur Kör-
perschaft verbundenen Individuen. Deshalb kann die G. durch ihre Beschlüsse in
die verfassungsmäßige Sphäre der übrigen Organe nicht wirksam eingreifen. Und
sie kann in keinem Falle einen gültigen Beschluß in solchen Angelegenheiten fassen,
die überhaupt keinen Bestandtheil der dem einheitlichen Gesammtwillen unterstellten
korporativen Lebenssphäre bilden.
Hieraus ergiebt sich, daß die G. an sich nicht kompetent ist, eine Verfassungs-
änderung zu beschließen, durch welche eine Erstreckung der korporativen Lebenssphäre
auf irgend einen bis dahin freien Bestandtheil der Individualsphären der Mitglieder
bewirkt wird. Einen solchen Willensakt kann die G. überhaupt nicht, mithin auch
nicht einstimmig, vornehmen: es bedarf dazu vielmehr einer Uebereinstimmung aller
Einzelnen. Doch kann sowol das Gesetz allgemein als das Statut im befonderen
Falle der G. die Ermächtigung zu derartigen Beschlüssen ertheilen. In der That
räumen fast alle Statuten der G. einen weiteren Wirkungskreis ein, und fordern
nur meist zu jeder Verfassungsänderung oder doch zur Abänderung des Grundkapi-
tals, des Gesellschaftszwecks und der Gesellschaftsdauer eine verstärkte oder qualifizirte
Majorität oder besondere Formen. Sehr bestritten aber ist, wie es sich in dieser
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon II. 3. Aufl. 6