Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Genofsenschaften. 83 
Art. Aktiengesellschaft), in allen Fällen aber vorher einen Aufsichtsrath zu 
wählen hat (Art. 210 a Nr. 3). 
Die G. der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist kein korporatives 
Organ, sondern eine nach Art eines korporativen Organs eingerichtete Versammlung 
der Kommanditisten, welche ihre gesellschaftlichen Rechte kraft ihrer Vertragsabrede 
nur gemeinschaftlich geltend machen können. Doch gelten hinsichtlich der Berufung 
und Beschlußfassung dieser G. analoge Grundsätze wie bei der Aktiengesellschaft 
(H##. Art. 175 Nr. 6 u. 7, 177, 180, 187—190); nur übernehmen die Rolle 
des Vorstandes hier die persönlich haftenden Gesellschafter. Die Befugnisse der G. 
der Kommanditisten ergeben sich daraus, daß sie die Rechte, welche bei der gewöhn- 
lichen Kommanditgesellschaft den einzelnen Kommanditisten hinsichtlich Geschäftsfüh- 
rung, Kontrole, Gewinnvertheilung, Auflösung, Kündigung und Ausschluß persönlich 
haftender Gesellschafter zustehen, für die Gesammtheit der Kommanditisten einheitlich 
ausübt (Art. 186). Auch ist sie zur Prozeßführung durch gewählte resp. ernannte 
Bevollmächtigte gegen die perfönlich haftenden Gesellschafter und gegen die Mitglieder 
des Aufsichtsraths legitimirt (Art. 195). Der Aussichtsrath hat im Zweifel ihre 
Beschlüsse auszuführen (Art. 186). Immer bedarf es ihrer Zustimmung, wenn 
einem oder mehreren der persönlich haftenden Gesellschafter der Austritt gestattet und 
hiermit die Auflösung der Gesellschaft bewirkt wird (Art. 199). Der Gesellschafts- 
vertrag kann die Befugnisse der G. auch hier einschränken oder erweitern. Ohne 
besondere Abrede kann die G. eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages nicht wirk- 
sam beschließen; dazu bedarf es vielmehr an sich der Zustimmung aller Kommandi- 
tisten und persönlich haftenden Gesellschafter. In keinem Falle kann die G. über 
solche Rechte der einzelnen Kommanditisten verfügen, welche diesen nicht in der durch 
die Einheit des in Aktien zerlegten Kommanditkapitals begründeten Gemeinschaft, 
sondern einem Jeden von ihnen für sich zustehen. 
Lit.: Vgl. die Lit. bei d. Art. Aktiengesellschaft, Genossenschaften und 
Kommanditgesellschaft. O. Gierke. 
Genossenschaften (Th. I. S. 536). Das Wort „Genossenschaft“ wird in 
sehr verschiedener Weise verwandt. Die germanistische Jurisprudenz versteht darunter 
alle deutschrechtlichen Körperschaften, welche nicht Gemeinden sind, und will mit 
diesem Namen zugleich auf deren von der Römischen universitas verschiedenes Wesen 
hinweisen. (Vgl. den Art. Korporation). Aehnlich ist der Sprachgebrauch 
mancher Gesetze, wie z. B. des Sächsischen Gesetzes über juristische Personen. Ein 
anderer bisher zwar wenig ausgeprägter und bestimmter, trotzdem jedoch in die 
neueste Gesetzgebung übergegangener Sprachgebrauch verwendet das Wort vorzugs- 
weise als technischen Namen derjenigen Vereinigungen, welche genauer als die auf 
Selbsthülfe beruhenden Erwerbs= und Wirthschafts-G. bezeichnet werden. Nur von 
diesen letzteren soll hier die Rede sein. 
Die moderne kapitalistische Entwicklung hat in fast allen Kulturländern unter 
den von der Uebermacht des Kapitals in ihrer wirthschaftlichen Selbständigkeit be- 
drohten Klassen eine Bewegung hervorgerufen. Diese Bewegung ging nach verschie- 
denen Richtungen hin auseinander. Die Einen klammerten sich an die Reste der 
alten Wirthschaftsorganisation, welche uns von der Vergangenheit in Zünften und 
ländlichen Patrimonialverbänden überliefert war, von der neueren Entwicklung aber 
völlig gesprengt oder doch der alten Bedeutung beraubt ist. Eine zweite Richtung, 
der die sozialistischen und kommunistischen Theorien in allen ihren Schattirungen 
Ausdruck gaben, appellirte an die Allmacht des Staats oder einer neuen an seine 
Stelle zu setzenden Gemeinschaft und verlangte die von oben her zu dekretirende 
Organisation der Wirthschaft. Eine dritte Richtung endlich, die allein bisher wirk- 
liche Erfolge aufzuweisen hat, suchte das mächtige Prinzip der freien Assoziation zu 
verwenden, um von unten und innen heraus neue wirthschaftliche Organismen zu 
□—ds
	        
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