Genossenschaften. 85
sammtheit übernommen und die Kosten ihrer Befriedigung unter die Genossen ver-
theilt werden. Die größte Verbreitung unter den G. dieser Gattung haben die zuerst
in England ausgebildeten Konsumvereine gefunden, welche die nothwendigen
Lebensbedürfnisse, wie die täglichen Lebensmittel, Brennmaterial, Beleuchtungsstoffe 2c.
im Großen anschaffen und sodann im Detail an die Genossen gegen Baarzahlung
veräußern, um so dem Einzelnen erstens gute und unverdorbene Waare zu sichern
und zweitens den Gewinn zuzuwenden, den andererseits ein Zwischenhändler machen
würde. An die Konsumvereine schließen sich die Wohnungs-G., besonders die
Englischen Land= und Bau-G., an, welche mit gemeinfamen Mitteln billige und gesunde
Wohnungen für ihre Mitglieder herstellen. Andere Distributiv-G. werden von Ge-
werbtreibenden gleicher Gattung oder von Landwirthen errichtet, um einzelne Seiten
ihres produktiven Betriebes zu assoziiren. So die auf gemeinsame Anschaffung des
Rohstoffes gerichteten Rohstoff-G., zu denen auch die ländlichen Düngerkonsum-
vereine rc. gehören; so die verschiedenen Werk-G., welche bestimmte Anlagen, Werk-
zeuge, Maschinen 2c. auf genossenschaftlichem Wege beschaffen und gemeinsam benutzen;
so die Absatz-G., Magazin-G., Bazare rc., welche theils die Mühen und Kosten,
theils überdies das Risiko des Verkaufs der Einzelprodukte auf die Gesammtheit über-
nehmen. Die höchste Stufe endlich der Assoziation bildet die bisher erst in geringen
Anfängen verwirklichte Produktivgenossenschaft, durch welche die assoziirte
Arbeit selbst, sei es ausschließlich, sei es neben dem Kapital, zur Trägerin eines
produktiven Unternehmens erhoben wird. In neuester Zeit hat man auch den Ver-
such gemacht, eine solche Arbeitsgenossenschaft mit den bisherigen Formen der kapita-
listischen Erwerbsunternehmung zu kombiniren, indem man durch die sog. industrial
partnership die Arbeiter am Unternehmen betheiligt hat. Die Geschäftsantheile der
Arbeiter sind dabei theils durch Einlagen, theils durch zurückbehaltene Gewinn= oder
Lohnquoten gebildet worden.
Für die rechtliche Stellung aller dieser zum Theil ganz neuen Assoziations-
sormen, welche der kooperativen Bewegung ihr Dasein verdanken, reichte das be-
stehende Gesellschafts= und Genossenschaftsrecht fast nirgends aus. Es trat daher an
die Gesetzgebung die Aufgabe heran, ein neues Recht dafür zu schaffen. Diese Auf-
gabe ist in verschiedener Weise gelöst worden.
In England bietet die große Companies Act vom 7. August 1862 nebst
späteren Ergänzungen (insbesondere Gefellschaftsakte vom 20. Aug. 1867) in den
fünf Gesellschaftsarten, welche sich nach ihr durch Einregistrirung korporative Rechte
verschaffen können, für jede Genossenschaftsgattung eine geeignete Form. Es bestehen
aber dort überdies zahlreiche Spezialgesetze, welche den als gemeinnützig betrachteten
Wirthschafts-G. gegen gewisse Garantien besondere Vorrechte gewähren. Hierher
gehört namentlich das Gesetz vom 7. August 1862 über provident and industrial
societies; sodann zahlreiche Gesetze über friendly societies, über land and building
societies und über loan societies; endlich ein Gesetz vom 5. Juli 1865 über in-
dustrial partnership.
In Frankreich hat das Gesellschaftsgesetz vom 24. Juli 1867 mit Rücksicht
auf die Kooperativbewegung in Tit. III. besondere Bestimmungen über sociétés à
capital variable getroffen. Diese Bestimmungen sollen neben dem sonst zutreffenden
Gesellschaftsrecht da zur Anwendung kommen, wo ein Statut die Vermehrung des
Gesellschaftskapitals durch successive Nachzahlungen oder durch Aufnahme neuer Ge-
sellschafter, die Verminderung desselben durch theilweise oder völlige Rücknahme ge-
machter Einlagen zuläßt. In einem solchen Falle können kleinere Aktien als sonst
ausgestellt, es kann deren freie Uebertragbarkeit ausgeschlossen und es können über
Austritt und Ausschluß von Mitgliedern besondere Bestimmungen getroffen werden.
Andererseits werden erhöhte Garantien gefordert und Beschränkungen auferlegt. Die
G. werden hier also durchaus als modifizirte Kapitalvereine konstruirt.