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pflege beschränken. Jedoch hat das Gesetz vom 14. Juli 1880 Art. 6 gestattet, daß
den geistlichen Genossenschaften, welche noch bei seinem Inkrafttreten der Krankenpflege
gewidmete Niederlassungen in Preußen befaßen, die Errichtung neuer Niederlassungen
für die Krankenpflege, sowie die Pflege und Unterweisung von Blinden, Tauben,
Stummen, Idioten und gefallenen Frauenspersonen regierungsseitig erlaubt, auch
solchen weiblichen Genossenschaften widerruflich die Befugniß gewährt werden darf,
die Pflege und Unterweisung von noch nicht schulpflichtigen Kindern als Nebenthätig-
keit zu übernehmen. Für Baden hatte schon das Gesetz vom 9. Oktober 1860,
§ 11, bestimmt, daß „ohne Genehmigung der Staatsregierung kein religiöser O.
eingeführt und keine einzelne Anstalt eines eingeführten O. errichtet werden kann“,
eine Genehmigung, welche stets widerruflich ist. Durch die Gesetze vom 2. April
1872 ist ferner einmal die Abhaltung von Missionen und die Aushülfe in der Seel-
sorge den Mitgliedern nicht staatlich rezipirter O. und weiter den Mitgliedern jedes
O. und jeder Kongregation die Ausübung der Lehrthätigkeit an Lehr= und Er-
ziehungsanstalten verboten worden. Im Königreich Sachsen hat schon die Verf. Urk.
von 1831, § 56, die Zulassung von O. und Olhniederlassungen verboten, und das
Gesetz vom 23. August 1876, § 30, hat auch die Ausübung der Olthätigkeit den
Mitgliedern der O. und Kongregationen untersagt, indessen zu Gunsten der Mit-
glieder solcher Frauenkongregationen, welche sich allein der Kranken= und Kinderpflege
widmen, eine staatliche Dispensation gestattet. Das Hessische Ges. vom 23. April
1873 schließt neue O. und Kongregationen im Gebiete des Großherzogthums aus,
und verbietet den bestehenden Niederlassungen neue Mitglieder aufzunehmen, indessen
kann von dem zuletztgedachten Verbote staatlicherseits unter Umständen dispensirt, auch
die Errichtung neuer Niederlassungen zur Krankenpflege den schon bestehenden Ge-
nossenschaften gestattet werden. Abgesehen von Oesterreich ist da, wo neue O.
überhaupt entstehen können, noch die Verleihung der juristischen Persönlichkeit be-
sonders nothwendig, damit sie Vermögen erwerben können, und felbstverständlich ist
der Erwerb desselben an die Gesetze über die Todte Hand (.. diesen Art.) ge-
bunden. Die Staatsgesetzgebungen haben ferner den Termin für die Ablegung der
feierlichen Gelübde oft erhöht, so wird in Oesterreich erfordert für die Regel das
vollendete 25. Jahr, in Preußen (Allg. LR. a. a. O. 88§ 1162 ff.) bei Männern
dieselbe Altersgrenze, bei Frauenspersonen das vollendete 21. Jahr, in Bayern für
Männer das letztere, für Frauen das vollendete 33. Lebensjahr — jedoch sind vom
21. Jahr ab zeitliche, von drei zu drei Jahren zu wiederholende Gelübde erlaubt.
Ebenso erklären sie die vota solemnia nicht für ewig verbindlich (z. B. Preußen,
Württemberg) oder sie verweigern der Kirche ihren Arm zur Vollstreckung der
für die apostasia a regula verhängten Strafen (so neuerdings Oesterreich). Was
endlich das Gelübde der Armuth betrifft, so gilt in Bayern der kanonische Grund-
satz, daß alles Vermögen, das der Eintretende besitzt oder erwirbt, dem O. zufällt;
in Oesterreich ist dagegen der einzelne Professe unfähig, Vermögen zu erwerben,
auch hat er keinen Anspruch auf den Pflichttheil und erbt ebensowenig ab intestato
noch ex testamento (Allg. BGB. 8§ 538, 539, 573); auf demselben Standpunkte
steht das Preußische Allg. LR. Th. II. Tit. 11 8§ 1199 ff., welches jedoch
den Professen, bezüglich ihrem Kloster, eine beschränkte Fähigkeit, aus Testamenten
zu erben, beilegt.
Die protestantische Kirche hat die O gelübde als unnützen Werkdienst ver-
worfen, Klöster oder Kongregationen im katholischen Sinne giebt es demnach unter
den Protestanten nicht. Die hin und wieder in protestantischen Ländern, z. B. in
Schleswig-Holstein, vorkommenden adligen Klöster sind nichts als Verforgungsan-
stalten für adlige Fräulein. Wenn endlich neuerdings auch auf dem Boden der
protestantischen Kirche Gemeinschaften zur Verrichtung christlicher Liebeswerke ent-
standen sind, so die Diakonissen und Brüder des rauhen Hauses, und hier auch von
den Mitgliedern ein Angelöbniß der Erfüllung ihrer Pflichten verlangt wird, so
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