Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

966 Ordnungs- und Disziplinarstrafen. 
exercitia spiritualia, d. h. in einem geistlichen Institut unter Leitung eines be- 
währten Geistlichen durch Gebete, fromme Betrachtungen und Fasten vorbereiten. 
Die niederen ordines sollen an den Sonntagen und an den gebotenen Festtagen, 
und zwar an einem passenden Ort ertheilt werden. Die O. für die höheren ordines, 
vom Presbyterat bis zum Subdiakonat inclusive, darf dagegen für die Regel nur 
an den Samstagen der vierteljährlichen, sog. OQuatemberfasten, sowie an dem Samstag 
vor Indica (ante dominicam passionis) und dem Ostersamstag, in der Kathedral- 
kirche unter Hinzuziehung der Domherren, eventuell in einer anderen hervorragenden 
Kirche der Diözese unter Assistenz des Ortsklerus während der Messe erfolgen. Die 
Bischofsweihe wird endlich nach einem Jahrhunderte lang feststehenden Usus an 
einem Sonntage oder einem Aposteltage ertheilt. Der Ort dafür ist die zukünftige 
Kathedrale des Kandidaten oder eine Kirche derselben erzbischöflichen Provinz. Die 
Ertheilung selbst erfolgt in der von dem Pontificale Komanum für die verschiedenen 
Grade vorgeschriebenen Form unter Gebeten, Handauflegung und Ueberreichung der 
symbolischen Zeichen der einzelnen Ordines. 
Daß in der evangelischen Kirche die O., welche nach der Auffassung der letzteren 
kein Sakrament ist, nur als Zeugniß der ordnungsmäßigen Berufung und der 
Fähigkeit zur Ausübung des Amtes gilt, ist gleichfalls schon Th. I. a. a. O. be- 
merkt. Die Verschiedenheit der Auffassung der katholischen und protestantischen Lehre 
zeigt sich weiter darin, daß die protestantische O. weder verschiedene Stufen hat, 
noch eine unverlöschliche und besondere geistige Befähigung verleiht; ferner wird 
letztere nur in wenigen Ausnahmefällen absolut ertheilt und endlich ist sie nicht 
Voraussetzung der Betheiligung an dem leitenden Regiment der Kirche. Sind doch 
gerade die Inhaber der obersten Kirchengewalt in den protestantischen Landeskirchen 
Deutschlands, die Regenten — Laien. Während aber die O. in den frühesten 
Zeiten der Reformation mit der Einführung in das erste Amt zusammenfiel, also 
das in ihr liegende Zeugniß eine spezielle Beziehung auf die betreffende Gemeinde 
erhielt, ist sie seit dem Ende des 16. Jahrh. ein davon getrennter Akt geworden, 
so daß jetzt die dadurch ertheilte Beglaubigung für die ganze Landeskirche bis zur 
Zurücknahme durch Absetzung gilt und nach der heutigen Praxis auch als ausreichend 
für eine andere Landeskirche betrachtet wird. Die Ertheilung selbst erfolgt während 
eines feierlichen Gottesdienstes durch Handauflegung und zwar steht dieselbe in Alt- 
preußen und Schleswig-Holstein den Generalsuperintendenten, in Rheinland und 
Westfalen, sowie in den meisten anderen Deutschen Landeskirchen den Superintendenten 
zu. (S. dazu auch a. a. O. S. 682.) 
Lit.: Hallier, De sacris electionibus et ordinationibus, Lutet. Par. 1636. — Mori- 
nus, Comm. de sacris ecclesiae ordinationibus, Par. 1655. — Laspeyres in der allgem. 
Encyklopädie von Ersch und Gruber, Sect. *&0•7 Bd. V. — Kliefoth, Liturg. Abhandl., 
Rostock 1864, I. 341 ff. — Hauber in Herzog's Real- Encyiloiell- für protest. Theologie, 
X. 681 ff. — Jacobson, Ueber die ais der Bokation und Ordination, Theolog. 
Stud. und Kritiken, Jahrg. 1867. S. 244 ff P. Hinschius. 
Ordnungs-- und Eisziplinarstrafen. I. Ordnungsstrafen. Der Be- 
griff der O. ist in der Reichsgesetzgebung noch nicht zur Klärung gelangt. Innerlich 
wesentlich von einander abweichende Rechtsinstitute werden mit demselben Ausdrucke 
„O.“ bezeichnet; gleichartiges wird verschieden behandelt, und überall fließen die Grenz- 
linien zusammen. Auch in der Literatur fehlt es an zusammenfassender, systematischer 
Behandlung der O., die von den einzelnen positiv-rechtlichen Erscheinungen ausgehend, 
die leitenden Grundsätze festzustellen hätte; und eben darum ist die Beurtheilung der 
Einzelfälle eine durchaus schwankende und kontroversenreiche. Wir können im Allgemeinen 
innerhalb der sog. O. zwei größere Gruppen unterscheiden: 
1) Die O. als Zwangsstrafe bestimmt, den trotzig dem Recht widerstrebenden 
Willen zu brechen und den Gehorsam zu erzwingen, indem sie den Ungehorsam in 
seinen einzelnen bereits vorliegenden Aeußerungen trifft. Sie ist von dem direkten 
Zwang (wie er in der Zwangshaft gegen den das Zeugniß verweigernden Zeugen in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.