968 Ordnungs= und Disziplinarstrafen.
§ 775 „Zu einer Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder zur Strafe der Haft bis zu
sechs Monaten“, ob die „O.“ in den Art. 233, 243, 247, 251 des O#. u. s. w.
der einen oder der anderen Gruppe angehören. Daß aber die Unterscheidung beider
Gruppen dem Gesetzgeber selbst geläufig ist, beweist § 40 des Tabakssteuerges. vom
16. Juli 1879, der sie beide nebeneinander nennt: „unbeschadet der verwirkten
O. kann die Steuerbehörde die Beobachtung der Vorschriften durch Androhung
und Einziehung von erekutivischen Geldstrafen bis zu 300 Mark erzwingen“; also
Strafe für Nichtbeachtung und mit ihr kumulirt Zwangsstrafe zur Herbeiführung
der Beachtung derselben gesetzlichen Vorschrift.
Unter den in diese Gruppe gehörenden O., deren Aufzählung an dieser Stelle
keinen Werth hätte, sind zwei Erscheinungsformen von besonderem Interesse. — Be-
kanntlich sind die Zoll= und Steuergesetze des Reichs der Sitz der sonst ausgegebenen
Schuldpräsumtionen (vgl. Liszt, RStrafR., § 27); sie legen dem Angeschuldigten
den Beweis auf, daß ihm der erforderliche Vorsatz gefehlt habe. Führt er diesen
Beweis, so tritt nicht etwa Straflosigkeit, sondern — O. ein. So nach Salzsteuergef.
vom 12. Okt. 1867 § 13; Zuckersteuerges. von 1869 § 4; Vereinszollges. § 151
(nur nachgewiesener „unverschuldeter Zufall“ entschuldigt auch von der O.); Rüben-
zuckersteuerges. vom 2. Mai 1870 (Verordn. von 1846 §5 17); Brausteuerges. vom
31. Mai 1872 § 32; Spielkartenstempelges. vom 3. Juli 1878 § 11; Tabak-
steuerges. vom 16. Juli 1879 § 34. — In zahlreichen anderen Fällen erscheint
die O. als Ergänzung der kriminellen Strafe. So die O. für Bestechung und
Widersetzlichkeit, soweit diese nicht schon nach dem Straf GB. strafbar sind, in §8 160,
161 des Vereinszollges., Brausteuerges. von 1872 § 36, Tabaksteuerges. § 41. Hierher
gehört die häufig in den strafrechtlichen Nebengesetzen wiederkehrende Fassung: „Zu-
widerhandlungen, welche mit keiner besonderen Strafe in diesem Gesetze belegt sind,
ziehen eine D. von .. nach sich“.
Auch bezüglich der zweiten Gruppe der O. gilt das oben über die Umwandlung
der uneinbringlichen Geldstrafe in Freiheitsstrafe Gesagte; doch finden sich auch aus-
drückliche entgegengesetzte Bestimmungen (so z. B. Brausteuerges. § 39; Spielkarten=
stempelges. § 17; Tabaksteuerges. § 44). — Strafrechtliche Ahndung neben der O.
wegen derselben Handlung muß im Allgemeinen als ausgeschlossen betrachtet werden,
da zwischen beiden Arten der Strafe ein begrifflicher Unterschied nicht besteht; das
Gegentheil ordnen ausdrücklich an Straf.GB. § 138, GVG. § 180, während
§ 35 des Brausteuerges. den richtigen Standpunkt vertritt. — Dagegen können O. und
D., weil ihrem Wesen nach verschieden, kumulirt werden (anerkannt im G. § 180).—
Das Verfahren bei Ausspruch der O. ist vielfach besonders geregelt, ebenso die Voll-
streckung derselben (vgl. z. B. G. § 181 ff.); im Uebrigen muß analoge An-
wendung der Prozeßgesetze für zulässig erachtet werden (so ist die dem verurtheilten
Zeugen zu Gebote stehende Beschwerde die der CPO. oder der StrafPO., je nachdem
die Verurtheilung im Civil= oder Strafverfahren erfolgt ist).
II. Disziplinarstrafen. Im weiteren Sinne ist D. jede Strafe, die einem
anderen Zwecke dient als dem Schutze der öffentlichen Rechtsordnung. Sie muß als
Art die Merkmale der Gattung an sich tragen, und nicht durch ihren Inhalt, son-
dern durch die Verschiedenheit des von ihr geschützten Interesses unterscheidet sich die
D. von der kriminellen und O.; nicht Angriffs= sondern Schutzobjekt der Strafe
sind hier und dort verschieden. Das Recht aber, D. zu verhängen (jus puniendi)
ist, sobald überhaupt die erstarkende Staatsgewalt alle Lebenskreise zu durchdringen
beginnt, durch deren zutheilende oder gestattende Anerkennung in Existenz und In-
halt bedingt; ja, in den wichtigeren Fällen nimmt die Staatsgewalt selbst auch die
Disziplinarstrafgewalt an sich, weil sie die in Frage stehenden Interessen für zu werth-
voll hält, um ihren Schutz den interessirten Kreisen zu überlassen. Danach können
wir innerhalb der Disziplinarstrafgewalt die vom Staate anerkannte und die vom
Staate übernommene unterscheiden: "