Full text: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

970 Orfila — Oersted. 
dieser Ansichten beigetreten werden. Die D. gegen Beamte bezweckt Schutz des 
staatlichen Interesses an getreuer Pflichterfüllung und standes- 
gemäßem Verhalten seiner Organe; darin und nicht in ihrem Inhalte 
liegt ihr Unterschied von der kriminellen Strafe. Das Disziplinarvergehen 
ist Verletzung der Dienstpflicht, nicht nothwendig Verletzung der öffentlichen Rechts- 
ordnung; das Amtsdelikt ist begrifflich, also nothwendig, letzteres. Verletzt eine 
und dieselbe Handlung zugleich die öffentliche Rechtsordnung und jenes staatliche 
Interesse, so sind zwei innerlich verschiedene Rechtskreise verletzt, und die D. muß 
daher mit der öffentlichen Strafe kumulirt werden (ausdrücklich anerkannt in § 78 
des Gesetzes vom 31. März 1873). Die Staatsgewalt schreitet in diesem Falle 
eben in doppelter Weise gegen den Schuldigen ein, und darin kann ebensowenig 
eine Verletzung des Satzes ne bis in idem gefunden werden, als wenn auf die Ver- 
urtheilung zu öffentlicher Strafe die disziplinarische Maßregelung des Verurtheilten 
durch irgend einen Verein, dessen Mitglied er ist, folgt. — Von demselben Gesichts- 
punkte aus ist die D. gegen Rechtsanwälte und Notare, gegen Handels- 
mäkler und Feldmesser u. s. w. zu beurtheilen (vgl. reichsgesetzlich die Rechts- 
anwaltsordnung vom 1. Juli 1878; „Ehrengerichtliche Strafen“: Warnung, Ver- 
weis, Geldstrafe bis 3000 Mark, Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft). Daraus 
folgt, daß, wenn Jemand zugleich mehreren Berufskreisen angehört, dieselbe Hand- 
lung mehrfache D. nach sich ziehen kann (vgl. Urtheil des Ehrengerichtshofes 
gegen Norden vom 18. Nov. 1880 in Rechtspr. des Reichsger. II. S. 535). — 
Auch die militärischen D., geregelt durch die Disziplinarstrafordn. für das Heer 
vom 31. Okt. 1872, für die Marine vom 23. Nov. 1873, gehören in die gleiche 
Kategorie. Interessant § 3 des EG. zum Mil. Straf#GB. vom 20. Juni 1872, 
nach welchem gewisse öffentlich strafbare Militärdelikte „in leichteren Fällen im 
Disziplinarwege geahndet werden können“; wie die Motive betonen, handelt es sich 
hier (und das ist wol auch die theoretisch richtige Ansicht) um eine Delegation der 
Strafgerichtsbarkeit an die Organe der Disziplinargewalt, nicht aber um eine 
Aenderung des Charakters der betreffenden Delikte. — Ganz unrichtig ist es dagegen, 
die gegen Zeugen und Sachverständige, gegen Geschworene und Schöffen wegen Ver- 
letzung der Dienstpflicht, gegen die im Termine Anwesenden wegen Ungebühr u. f. w. 
zu verhängenden Strafen als D. zu bezeichnen. Die hier in Frage stehenden 
Delikte gefährden die öffentliche Rechtsordnung; die Strafe ist daher O. in dem 
oben unter I. 2) entwickelten Sinne. 
Lit. u. Quellen sind im Texte mit angeführt; weitere Lit. über die D. bei Laband 
und Binding a. a. O. — Ugl. auch v. Liszt, Rötraf R., § 1 und § 42 IV. ’-- 
v. zt. 
Orfila, Matthieu Joseph Bonaventura, 5 24. IV. 1787 zu Mahon 
auf Minorca, stud. in Valencia, Barcelona, Madrid, Paris, wurde 1819 Prof. der 
gerichtlichen Medizin in Paris, 1832 Dekan der medizinischen Fakultät und Präsident 
des jurys médicinaux bis zum Ausbruch der Februarrevolution, wo er entlassen 
wurde, 12. III. 1853. Bekannt sind seine Untersuchungen über Arsen in der 
Affaire Lafarge, Raspail, Bocarmé. 
Schriften: Traité des poisons ou toxicologie générale 1813, (5) 1852; deutsch Hermb- 
städt (3) 1826; Kühn (5) 1852; Krupp 1852. — Traité de médecine légale 1823, (4) 
1848; deutsch von Krupp, 1848—50. — Traité des exhumations juridigues (mit Lefueur), 
1847. — Vorl. über Arsenikvergiftung mit Bez. auf Fall Lafarge, von Henoch, Leipz. 1843. 
Lit.: Annales A’hygieène et de médecine légale, 1853. — Henke's Ztschr. 1853 Heft 3 
S. 126. — Buchner, Lehrb. der gerichtl. Medizin, (2) 1872 S. 368, 375, 395. 
Kornfeld. 
Oersted, Anders Sandbe, 8 21. XII. 1778 in Rudköbing auf Langeland, 
1794 Student in Kopenhagen, 1801 Assessor des Hof= und Stadtgerichts, 1810 
des höchsten Gerichts, 1815 gleichzeitig Doctor juris honorarius der Universitäten 
in Kopenhagen und Kiel, 1825—1848 Generalprokureur, 1828 Konferenzrath, 1841
	        
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