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Reichsgesetzgebung den O. auf dem Gebiete des Gewerberechts eine gemeinrechtliche
Kompetenz verliehen. Nach der RGew. O. von 1869 8 142 können O. die ihnen
durch das Gesetz überwiesenen gewerblichen Gegenstände mit verbindlicher Kraft
ordnen. Das RGes. vom 3. April 1876 Art. 1 §§ 141 — 141 c verstattet
den O., die Bildung von Hülfskassen anzuordnen, den Gesellen, Gehülfen und
Fabrikarbeitern die Verpflichtung zum Eintritt in eine eingeschriebene Hülfskasse auf-
zuerlegen, und die Arbeitgeber mit Vorschuß= und Anmeldepflicht, die Fabrikinhaber
überdies mit Beitragspflicht zu belasten. Durch das RGes. vom 17. Juli 1878
§ 120 .a# ist die Einführung von Schiedsgerichten zur Entscheidung gewisser Streitig-
keiten zwischen selbständigen Gewerbtreibenden und ihren Arbeitern den O. anheim-
gestellt.
Welches Gemeindeorgan zum Erlaß von O. kompetent ist, richtet sich nach
der Gemeindeverfassung. Insofern nicht den gemeindeobrigkeitlichen Kollegien oder
Einzelvorstehern in gewissem Umfange eine Verordnungsgewalt eingeräumt ist, bedarf
es regelmäßig einer Mitwirkung der Gemeindeversammlung oder des dieselbe er-
setzenden Repräsentativorgans. O. über gewerbliche Gegenstände sollen laut RGew.O.
§ 142 immer auf Grund eines derartigen Gemeindebeschlusses, nach vorangegangener
Anhörung betheiligter Gewerbtreibenden, abgefaßt werden.
Nach den neueren Gemeindegesetzen sind alle O. mit geringfügigen Ausnahmen
an staatliche Bestätigung gebunden. Damit verändern sie an sich keineswegs
ihre Natur: das bestätigte O. wird nicht zu einem Gesetzes= oder Verordnungsakt
des Staates, sondern bleibt ein von der Aufsichtsbehörde geprüfter und gutgeheißener
Satzungsakt der Gemeinde. Wo freilich die Staatsbehörde das ihr vorgelegte O.
nicht blos genehmigen oder verwerfen, sondern inhaltlich abändern kann, sinkt die
Autonomie zu einem bloßen Vorschlagsrecht herab. O. über gewerbliche Gegen-
stände bedürfen nach der RGew.O. § 142 der Genehmigung der höheren Verwaltungs-
behörde.
Die Aufhebung von O. erfolgt durch anderweite Satzung, derogatorisches
Gewohnheitsrecht und staatliche Gesetzgebung. In der Regel aber ist überdies der
staatlichen Aufsichtsbehörde das Recht verliehen, O., welche mit den Gesetzen in
Widerspruch stehen, außer Kraft zu setzen. Allgemein wird durch die RGew. O.
*142 hinsichtlich der O. über gewerbliche Gegenstände diese Befugniß den Central=
behörden der Deutschen Einzelstaaten beigelegt.
Gigber Die Gemeindeordnungen (vgl. den Art. Gemeinde, Gemeindeordnung) und
die im Text angeführten Reichsgewerbegesetze.
Lit.: Die Lit. über das Gemeindewesen (vgl. hinter dem Art. Gemeindehaushalt;
dazu seitdem H. Schulze, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 410 ff., hier speziell
S. 413—414). O. Gierke.
Osenbrüggen, Eduard, 5 24. XII. 1809 zu Uetersen in Holstein, stud.
in Kiel und Leipzig, habilitirte sich in Kiel, 1843—1851 Prof. in Dorpat, dann
in Zürich, + 9. VI. 1879.
Schriften: De jore belli et pacis Romanorum liber singularis, Lips. 1836. — Das
altrömische Paricidium, Kiel 1841. — Cicero's Rede f. T. Annius Milo, Hamb. 1841. — Zur
Interpret. des Corp. jur. civ., Kiel 1842. — Cicero's Rede f. S. Roscius, Braunschw.
1844. — Der Rechtsunterricht auf den Universitäten, Dorpat 1844. — Theorie und Praxis
des Livländ., Esthländ. und Kurländ. Kriminalrechts, Dorpat 1846, 47. — Bericht über ein
Practicum criminale, Dorpat 1848. — Die Brandstiftung in den Strafgesetzbüchern Deutsch-
lands und der Deutschen Schweiz, Leipz. 1854. — Kasuistik des Kriminalrechts, Schaffh.
1854. — Der Hausfrieden, Erl. 1857. — Abhandl. aus dem Deutschen Strafrecht, Erl.
1857. — Beitrag zur Strafrechtsgeschichte der Schweiz, Zürich 1859. — Das Alamannische
Strafrecht im Deutschen Mittelalter, Schaffh. 1863. — Das Strafrecht der Langobarden,
Schaffh. 1863. — Rechtsalterthümer aus Oesterr. Pantaidingen, Wien 1863. — Bemerkungen
über den Entwurf eines Straf GB. für Oesterreich, Wien 1867. — Studien zur Deutschen und
Schweiz. Rechtsgeschichte, Schaffh. 1868. — Die Ehre im Spiegel der Zeit, Berl. 1872. — Die
Deutschen Rechtssprichwörter, Basel 1876. — Die Schweiz in den Wandlungen der Neuzeit,