Präjudizien — Prälaten. 117
Präjudizien nennt man die Rechtssprüche der Gerichte insofern, als man
ihren bestimmenden Einfluß bezüglich juridischer Fragen für deren gleiche Beurtheilung
in anderen Prozessen bzw. durch andere Richter hervorheben will. Die autoritäre
Bedeutung der P. beruht im Gebiet des Gem. Rechts auf ihrer wissenschaftlichen
Ueberzeugungskraft und auf freier Annahme der sie befolgenden Gerichte. Eben
darum kommt sie auch an sich den Urtheilen der unteren Gerichte in gleichem Maße,
wie denen der höheren Gerichte zu, und wenn die Sachlage nichtsdestoweniger im
Allgemeinen eine andere ist, so beruht dies doch nicht auf gesetzlicher Nothwendigkeit,
sondern in den thatsächlichen Verhältnissen. Eine andere Stellung nehmen die P.
der höchsten Gerichte nach Franz. Recht und der ihm folgenden Deutschen RGesetzgeb.
ein. Diese Gesetzgebungen postuliren die Einheit der Rechtsprechung im Staate, und
sofern sie den höchsten Gerichtshof zum Träger dieser Einheit machen und ihm vor-
schreiben, Rechtssprüche der unteren Gerichte, die auf unrichtiger Auslegung oder
Anwendung oder Nichtanwendung der Gesetze oder Rechtsgrundsätze beruhen,
kassiren, wird dieser Gerichtshof zum allein berechtigten Ausleger der Gesetze und
seine P. obligatorisch für sämmtliche Gerichte des Staates außer ihm. Am strengsten
verfolgt diese Tendenz die Franz. Gesetzgebung, indem sie auch im Gebiete der Civil-
rechtspflege die Staatsanwaltschaft zum Wächter des Gesetzes bestellt und ihr in der
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ein Mittel in die Hand giebt, die
Einheit der Rechtsprechung sogar da zur Geltung zu bringen, wo den Parteien selbst
ein Rechtsmittel nicht zusteht oder sie von demselben keinen Gebrauch machen. Die
Deutsche RGesetzgeb. dagegen kennt dieses Rechtsmittel und diese Theilnahme der
Staatsanwaltschaft im Civ. Prz. nicht; nichtsdestoweniger kommt auch ihr zufolge
den P. der einzelnen, wie der vereinigten Civil= oder Strafsenate des höchsten Ge-
richtshofes gleiche Bedeutung zu, da dieselben für den erkennenden höchsten Gerichtshof
selbst in gleichen Fällen verbindlich sind, nur daß der einzelne Senat von seinen
eigenen Entscheidungen abweichen darf. Davon ist dann die naturgemäße Folge,
daß alle Rechtssprüche der unteren Gerichte, sowie sie in höchster Instanz an-
gesochten werden, nach Inhalt der P. des höchsten Gerichtshofes beurtheilt und
eventuell abgeändert werden müssen.
Lit. u. Quellen: Savigny, System, §§ 12 ff. — Planck, Mehrheit, §§ 26,
58. — Verhandlungen des 6. Juristentages, 2. V Repert. S. 137. — Frey, Frankr. Civ.=
u. Krim. Verf., 143 ff., 225 ff. — Pigeau, Proc. civ., 1. p. 460. — Heffker, Preuß.
Prz., § 83. — 1 dec. 1790 a. 25; loi 27 vent. a8 VIII. a. 80, 88. — Deutsches GVG.
88 dis ff.; Mot. S. 151 ff. — Deutsche CPO. Mot. S. 41 ff. K. Wieding.
Hrartuste (v. Bar, Th. I. Suppl. S. 58 ff.) ist eine Versäumnißfolge, und
soll nach § 208 der Deutschen CPO. allgemein als Versäumnißfolge eintreten,
wo nicht die Versäumnißfolge, z. B. Geständniß der Klagthatsachen, Reassumtion 2c.,
speziell vorgeschrieben ist. Sie besteht darin, daß die Partei wegen Versäumniß einer
ihr gestatteten oder aufgegebenen Prozeßhandlung während der gewährten Frist bzw.
an dem gesetzten Termine das Recht zur Vornahme dieser Handlung verliert. Die
Frist bzw. der Termin, mit deren Ablauf diese Folge eintritt, wird im Gemeinen
Recht eben darum auch als präklusiv oder peremtorisch bezeichnet, und zwar
im Gegensatz zu dilatorischen Fristen und Terminen, mit deren Versäumniß
eben jene in ihren Wirkungen höchst bedeutsame Folge nicht sofort eintritt. Die
Deutsche CPO. verwirft das System der wiederholten Ladung und Fristansetzung,
ihre Fristen und Termine sind durchweg mit wenigen Ausnahmen sofort präklusiv
und zwar ipso jure, ohne daß es einer vorgängigen Androhung der Versäumniß-
folgen bedürfte. Alles Nähere s. im Art. Versäumnißverfahren.
K. Wieding.
Prälaten (praelati) im eigentlichen Sinne sind die Bischöfe und die Inhaber
der höheren, über dem bischöflichen stehenden Aemter, wie die Erzbischöfe, Primaten
und Patriarchen. Im Sprachgebrauch der Dekretalen werden auch die Aebte, also