Reglement der Eisenbahnen. 339
schweigende Genehmigung des Transportvertrags nicht zu präsumiren ist. In solchem
Falle muß jedoch die Feststellung der Mängel ohne Verzug nach der Entdeckung
nachgesucht, die Reklamation bei der Eisenbahn binnen vier Wochen schriftlich
angemeldet und nachgewiesen werden, daß die Mängel in der Zeit, in welcher
das Gut im Gewahrsam der Eisenbahn war, entstanden sind. Erst dann ist
actio nata.
Für Ansprüche aus Verlust, Beschädigung und Verspätung gegen
die Eisenbahnen ist einjährige Verjährungsfrist geschaffen, alle übrigen
Forderungen verjähren nach landesgesetzlichen Bestimmungen, z. B. Nachzahlung zu
wenig, Rückzahlung zu viel erhobener Fracht.
Im Fall der Nichtablieferung beginnt die Verjährung mit dem Ablauf
des Tages, an welchem das Gut hätte abgeliefert werden müssen, bei Beschädigung
oder Verminderung, sowie verspäteter Ablieferung mit dem Tag der Ablieferung.
Ueber das Schicksal und den Verbleib eines nicht abgelieferten Guts haben die
Eisenbahnen die eingehendsten Recherchen anzustellen und dem Publikum aktenmäßige
Mittheilungen zu machen (Entsch. des ROHG. XXI. S. 21).
Die Haftpflicht der Eisenbahnen ist für solche Gefahren beschränkt, welche
nach den eigenthümlichen Einrichtungen derselben in der Regel und voraussichtlich
ohne Schuld der Eisenbahnen eintreten (§ 67 des Bahnreglements), so bei leichter
Verletzbarkeit des Guts (außergewöhnlicher Leckage), beim Transport in offenen
Wagen (Diebstahl, Witterungseinflüsse), bei Mängeln der Verpackung, in Ansehung
derjenigen Güter, welche vom Absender selbst verladen und vom Empfänger selbst
entladen werden, endlich bei solchen Sachen (Fahrzeuge, lebende Thiere), in An-
sehung deren verabredet ist, daß sie begleitet werden. In diesen fünf Fällen braucht
die Eisenbahn lediglich die Möglichkeit zu erweisen, daß der Schaden in erkenn-
barem Zusammenhang mit diesen Gefahren stehe; alsdann tritt die Präsumtion ein,
daß der Schaden wirklich aus diesen nicht zu vertretenden Gefahren entstanden ist,
gegen welche Präsumtion dem Reklamanten der Gegenbeweis offen steht.
Die Höhe der von den Eisenbahnen zu zahlenden Entschädigungssumme bemißt
sich in ihrem Geldwerthe (Ersatz in natura kann nicht gefordert werden):
a) bei Verlust und Beschädigung nach dem gemeinen Handelswerth eines Guts
gleicher Qualität am Ablieferunzsorte, in Ermangelung eines solchen nach dem
Werth, um den man es am Ablieferungsorte gemeinhin kaufen kann. Es bleibt also
das individuelle Interesse, der Affektionswerth, sowie derentgangene
Gewinn außer Ansatz und nur das damnum emergens ist die omnis causa, welche
die Eisenbahn zu ersetzen hat. In Ermangelung einer höheren Werthdeklaration be-
trägt der gemeine Werth in maximo 60 Mark pro 50 kg Brutto (Normalsatz), wenn
auch der wirkliche Werth denselben übersteigt. Im Fall einer gültigen Werth-
deklaration auf dem Frachtbrief ist der deklarirte Betrag der Maximalgarantiebetrag.
Die Höhe des Schadens innerhalb und bis zum Normalsatz, beziehungs-
weise zur deklarirten Summe hat der Entschädigungsberechtigte in jedem Falle
zu erweisen. Im Fall einer Beschädigung von Gut wird von der entstandenen Werth-
minderung jene OQuote vergütet, welche sich nach Verhältniß des von dem Beschädigten
nachzuweisenden Handels= bzw. gemeinen Werths des beschädigten Guts zu dem
Normalsatz von 1 Mark 20 Pf. pro kg (eventuell deklarirten Werths) herausstellt.
Nur im Fall einer böslichen Handlungsweise der Eisenbahn oder ihrer Leute
cessiren alle Haftpflichtbeschränkungen und kann auch lucrum cessans gefordert werden.
Die Judikatur des ROPSC. hat den Begriff „bösliche Handlungsweise"“
dahin fixrirt, daß er den dolus im eminenten Sinne, außerdem auch den höchsten
Grad der Nachlässigkeit, namentlich aber die luxuria umfaßt, jenen frevelhaften
Muthwillen, der zwar die Beschädigung nicht beabsichtigt, sich aber bei seinem
Handeln der damit verbundenen Gefahr bewußt ist und dennoch
das Handeln nicht ändert.
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