Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

612 Schuldschein. 
Anhalt für die Zeugen enthielt und eben darum meist nicht vom Schuldner, sondern 
vom Destinatär der Urkunde geschrieben wurde. Zu Justinian's Zeit ist diese 
Zeugenurkunde fast gänzlich verschwunden, und der S. in subjektiver Fassung weiter 
ausgebildet. (Vgl. Brunner, Zur Rechtsgeschichte der Urkunde, Bd. I. S. 44 f..) 
Eine bestimmte Form des S. ist nicht vorgeschrieben. Er wird durch Unterschrift 
vollzogen. Nur das Preuß. Allg. LR. I. 11 § 780 setzt noch weiter fest, was zu 
einem „vollständigen“ (Darlehns-) S. erfordert werde, so daß der Darlehnsgeber nur 
gegen Ausstellung eines solchen zu zahlen braucht. Die rechtliche Absicht der Par- 
teien, nach welcher sich die Bedeutung und Wirkung des S. bestimmt, kann zunächst 
darauf beschränkt sein, dem Gläubiger ein Beweismittel zu verschaffen. In diesem 
Falle enthält der S. ein außergerichtliches Geständniß und liefert daher, sobald der 
Aussteller ihn dem Gläubiger übergeben hat, vollen Beweis der Thatsachen, die er 
bezeugt; durch Gegenbeweis wird er widerlegt. Es fragt sich aber, ob auch eine 
weitergehende Absicht und Wirkung möglich ist. Diese Frage wird besonders wichtig. 
bei generellen oder gar abstrakten S., welche die Fassung haben: „Ich bekenne dem 
X. 1000 Mark aus einem Kaufe schuldig zu sein“, resp. „Ich bekenne dem X. 
1000 Mark schuldig zu sein“. Denn diese sind zum unmittelbaren Beweise von 
Thatsachen nicht geeignet. Das spätere Röm. Recht hat solcher cautio, quae indiscrete 
loquitur, d. h. worin der Aussteller nicht ipse specialiter causas explanavit, pro 
quibus eandem conscripsit, die Beweiskraft abgesprochen (I. 25 § 4 D. de prob. 
22, 3 und 1. 13 C. de non num. pec. 4, 30) und demgemäß erklärt die her- 
gebrachte Lehre einen der thatsächlichen Spezialisirung entbehrenden S. (sog. 
cautio indiscreta) für kraftlos. Allein gegen diese Lehre ist eine Reaktion eingeleitet 
worden durch das unten bezeichnete Buch von Bähr. Manche glauben nun schon 
durch Annahme einer Präsumtion helfen zu können, des Inhalts, daß es sich mit 
dem Entstehungsgrunde der Schuld so verhalte, wie der Inhaber des S. angebe 
(Buhl, S. 44). Das ist jedoch theils willkürlich, theils unzureichend. Eine zweite 
Gruppe von Schriftstellern erblickt in der Ausstellung eines S. wenigstens insofern 
einen Vertrag (sog. Beweisvertrag), als der Schuldner damit erkläre, für das. 
von ihm Zugestandene keinen weiteren Beweis vom Gläubiger verlangen zu wollen; 
danach werde auch durch ein generelles oder abstraktes Schuldbekenntniß das Vor- 
handensein einer Schuld erwiesen; da es aber zur Klage einer thatsächlichen Sub- 
stantiirung der Schuld bedürfe, so sei bei derartigen S. die Klage nicht auf die 
anerkannte Schuld zu gründen, sondern vielmehr auf das mit der Anerkennung meist 
verbundene oder doch aus ihr zu entnehmende Konstitut (Zahlungsversprechen). 
So Bruns, S. 127—130; ähnlich Schlesinger u. a. m. Die Schwäche dieser 
Theorie liegt theils in der Unterstellung eines Konstituts, theils in der inkonsequenten 
Annahme, daß der S. zwar nicht von der Substantiirung der einzuklagenden For- 
derung, aber doch von derjenigen der konstituirten Hauptschuld dispensiren könne. 
Eine dritte Ansicht geht davon aus, daß dem S. eine über das Gebiet des Beweises 
hinausreichende, verpflichtende Absicht, ein materieller „Anerkennungsvertrag“ zu 
Grunde liegen könne, des Inhalts, daß der Aussteller das Anerkannte nicht be- 
streiten wolle. In diesem Sinne gemeint werde der S. aus einer Beweis= zur 
Dispositivurkunde. Er könne diese Bedeutung bei spezieller, wie bei genereller 
Fassung haben; ob er sie habe, hänge von der Absicht der Parteien ab. Die Kon- 
sequenz dieser Bedeutung ist es, daß der S. nicht durch Gegenbeweis widerlegt, son- 
dern nur durch Anfechtung nach den Regeln der Kondiktionen entkräftet werden, und 
daß der Gläubiger aus dem Anerkennungsvertrage als solchem, ohne auf die aner- 
kannte Schuld zurückgehen zu müssen, klagen kann. Hierfür Windscheid, Lehrb., 
§ 412 a; Unger in den Jahrb. f. Dogm. VIII. Nr. 7 u. a. m. Noch weiter 
geht die von Bähr aufgestellte Lehre, nach welcher der S. in allen Fällen Ver- 
pflichtungsgrund sein und eine neue von der ursprünglichen causa losgelöste Schuld 
erzeugen soll. Diese letzte Lehre geht entschieden zu weit und thut dem Parteiwillen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.