Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

648 Seeceremoniell. 
einer solchen zustehenden Befugnissen ausgestattet, wie denn auch im Großen und 
Ganzen die Bestimmungen des RGVG. Tit. 15 und 16 und der RStrafP O. Bd. I. 
Abschn. 3, 6 und 7 Anwendung finden. Das Verfahren vor dem S. ist öffentlich 
und mündlich. Nach Schluß der Verhandlungen hat das S. seinen Spruch über 
die Ursachen des Seeunfalls abgzugeben. Dieser Spruch ist spätestens innerhalb 
14 Tagen nach Schluß der Verhandlungen in öffentlicher Sitzung zu publiziren. 
Dem Reichskommissar ist stets Ausfertigung desselben zu ertheilen, dem Schiffer resp. 
Steuermann, dessen Unfall den Gegenstand der Untersuchung gebildet, nur auf dessen 
Verlangen. Durch den Spruch kann zugleich — doch nur auf Antrag des Reichs- 
kommissars — dem Deutschen Schiffer und Steuermann die Befugniß zur Aus- 
übung seines Gewerbes (dem Schiffer auch die zur Ausübung des Steuermanns- 
gewerbes) entzogen werden, wenn dieselben nach dem Ergebniß der Untersuchung 
den Unfall verschuldet haben durch den Mangel solcher Eigenschaften, die zur Aus- 
übung des Gewerbes erforderlich sind. Die Befugniß kann indeß dem Schiffer resp. 
Steuermann nach Ablauf eines Jahres durch das Reichsamt des Inneren wieder 
eingeräumt werden. 
Gsgb. u. Lit.: Neichsgeset betr. die Untersuchung von Seeunfällen vom 27. Juli 1877.— 
Entsch. des Oberseeamts und der Seeämter, Bd. I (Hamb. 1879/80); Bd. II. (1880/81). — 
Verzeichn. d. Seeämter im Handbuch f. die Deutsche Handelsmarine 1880, S. 6 ff. 
ewis. 
Seeceremoniell ist der Inbegriff der Förmlichkeiten, die im Schiffsverkehre 
beobachtet werden. Bestimmungen darüber zu treffen, ist zwar zunächst Sache des 
Einzelstaats, der entweder die Schiffe seiner Flotte mit Anweisung dieserhalb 
versieht, oder von fremden Schiffen, die mit ihm in Berührung kommen, die 
Beobachtung eines gewissen Ceremoniells fordert. Doch hat die internationale Ver— 
kehrsgemeinschaft der Neuzeit auch ein allgemein angenommenes Herkommen für 
die Ehrenbezeigungen gebildet, die sowol bei Begegnungen auf hoher See, als auch 
beim Befahren fremden Seegebiets zu erweisen sind. Rechtlichen Charakter haben 
diese Aeußerlichkeiten nur insoweit, als ihre Vernachlässigung den Charakter einer 
Beleidigung tragen, demnach eine Forderung auf Genugthuung begründen würde. 
Im Uebrigen gehören sie lediglich ins Gebiet der Courtoisie, und ihre Unterlassung 
berechtigt höchstens zur Erwiederung der Unhöflichkeit. Auch in der Gegenwart noch 
pflegen die Nationen einen gewissen Werth auf derlei Formen um so mehr zu legen, 
je mehr darin die Machtstellung der Staaten, das Bewußtsein ihrer Verkehrs- 
gemeinschaft, die Kameradschaft im Personal der verschiedenen nationalen, insbesondere 
Staatsmarinen zum Ausdruck kommt. — Die einzelnen Förmlichkeiten des ceremo- 
niellen Schiffsverkehrs sind verschieden, je nachdem man sich auf dem Fuße der 
Gleichheit behandelt oder nicht. 
Im internationalen Seeverkehr auf dem Fuße der Gleichheit kommen folgende 
Ceremonien vor: Das Hissen der Flagge; sodann das Abfeuern von Kanonenschüssen, 
regelmäßig in ungleicher Anzahl, doch nicht über 21 Schüsse; für die Zahl ist der 
Grad der Ehrenbezeigung, sowie der Gebrauch der einzelnen Staaten bestimmend. 
Bei vorzüglicher Ehrenbezeigung wird scharf geladen. Beide Förmlichkeiten, einzeln 
oder vereinigt, machen den gewöhnlichen Schiffsgruß aus. Der Gegengruß ist dem 
Gruße genau entsprechend, wobei entweder Schuß um Schuß erfolgt oder erst nach 
abgegebener Salve geantwortet wird. Eine geringere Anzahl von Erwiederungs- 
schüssen wird nur dann als statthaft erachtet, wenn das gegrüßte Schiff sich in der 
Lage befindet, den höheren Rang des kommandirenden Offiziers, oder die höhere 
Machtstellung seines Staates zu markiren. Feierlichere Form des Schiffsgrußes ist 
das Vivatrufen, in ungleicher Anzahl bis zu sieben Malen wiederholt; demnächst 
eine Gewehrsalve, die immer vor Lösung der Kanonenschüsse erfolgt. Zu der Schiffs- 
etiquette gehört sodann noch das Beilegen des Schiffs, wie die Sendung eines oder 
mehrerer Offiziere zur Visite.
	        
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