Transmissionsfälle. 903
Erbschaft durch den Transmittenten für sich allein zwar genügte, wenn der Trans-
missar die Erbschaft antrat und eine Erbschaftsklage anstellen wollte, daß der Kaiser
dagegen ihm auch die Mö–lichkeit offen halten wollte, dieselbe auszuschlagen, und
darum sich auf diese Fiktion allein nicht beschränken konnte, da sie beide Erbschaften
unlösbar verbunden und den Transmissar genöthigt hätte, beide zusammen anzu-
nehmen oder abzulehnen. b) Wenden wir uns zu den Voraussetzungen der
Justinianeischen Transmission, so führt der Kaiser seine Absicht, die Deliberation der
Sui auf alle Erben zu erstrecken, in der Weise aus, daß er den Erben „praedic-
tum arbitrium“ transmittiren läßt. Arbitrium ist die Wahl zwischen Nichterwerb
und Erwerb der Erbschaft. Erwägt man, daß das Deliberiren als wirkliche Thä-
tigkeit sich nicht von Subjekt auf Subjekt übertragen läßt, so begreift man, daß
Erstreckung der Deliberation dem Kaiser Erstreckung des dem Deliberirenden zustän-
digen arbitrii bedeutet. Arbitrium als Wahl zwischen Nichterwerb und Erwerb hat
seinen Gegensatz an der Entscheidung für Nichterwerb oder Erwerb, folglich an Ver-
zicht bzw. Abstinenz und an Adition oder Immixtion. Erstreckte der Kaifer daher
die Deliberation im Sinne des arbitrü#, so mußte er seine Transmission zulassen,
wenn der Erbe sich bei Lebzeiten überhaupt nur nicht entschieden hatte. Dies thut
er auch ganz konsequent, indem er nicht blos die Transmission gestattet, wenn der
Transmittent sich eine Deliberationsfrist erbeten, also zu deliberiren erklärt hat,
sondern auch zweitens dann, „si .. non tamen successioni renunciaverit, ut ex
hac causa deliberare videatur, sed nec aliquid gesserit, quod aditionem vel pro
berede gestionem inducat“". Der erste Fall ist unbestritten, die Auffassung des
zweiten Gegenstand des Streites. Bezüglich seiner hat v. Vangerow darauf hin-
gewiesen, daß die Voraussetzung des Nichtverzichts in der Person eines Transmit-
tenten, der vom Anfall der Erbschaft bei Lebzeiten nichts erfahren, nicht minder zu-
treffe, wie in der Person eines solchen, der denselben gekannt habe, die Transmission
daher den Erben jenes nicht minder, wie den Erben dieses zustehen müsse. Ent-
spricht v. Vangerow's Auffassung offenbar den Worten des Gesetzes, so ist
sie auch durch den logischen und historischen Zusammenhang desselben begründet.
Das arbitrium, als Recht zu verzichten oder zu erwerben, steht dem wissenden, wie
dem nicht wissenden Delaten zu, und bedeutete Erstreckung des arbitrü Erstreckung
der Deliberation, so mußte dem Kaiser der eine wie der andere als deliberirend
gelten (deliberare videatur). Auch bei der Transmission der Sui erwarb ja der
Delat ohne Rücksicht auf Wissen und Nichtwissen ipso jure die Erbschaft und ebenso
transmittirte er sie ohne Rücksicht auf Wissen und Nichtwissen. Endlich bestätigt
Justinian selbst die hier vertheidigte Auffassung, indem er in der Nov. 158 seine
Transmission bezüglich einer Erbschaft für anwendbar erklärt, wo ein infans der
Delat war, also ein nichtwissender Transmittent. Die Novelle ist nicht glossirt und
eben hierdurch sucht man ihr Gewicht zu beseitigen, obwol man ihre Echtheit nicht
anfechten kann. Der Mangel der Glosse kommt jedoch nur in Betracht für die
Frage, was rezipirt ist, nicht für die andere, was zu Justinian's Zeit Recht ge-
wesen. Um diese aber handelt es sich hier allein, da die Novelle keine gesetzliche
Disposition trifft, sondern nur ein Urtheil über die Anwendbarkeit des Transmis-
sionsgesetzes abgiebt, welches selbst der Glosse nicht entbehrt. Wenn Brinz auf die
T. e. c. in integrum restitutionis verweist, welche die für die Erben des nicht
wissenden Delaten erforderliche Hülfe derzeit schon gewährt habe, so hat bereits
Windscheid diese Behauptung durch die Ouellen widerlegt, wie auch Theodo-
sius II., dessen Transmission den Fall des Nichtwissens ausdrücklich mitbefaßt,
jene Hülfe nicht gekannt oder nicht für ausreichend angesehen haben muß. Denn
auch das ist nicht zu übersehen, daß die Restitution den Beweis des Nichtwissens
fordern würde, der oft schwierig zu führen wäre, daß dieser Beweis aber unnöthig
ist, wo das Gesetz auch den nicht wissenden Delaten transmittiren läßt. c) Justi-
nian hat seine Transmission auf die Dauer eines Jahres beschränkt. Diese Frist