Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

348 II, 3. Bismarcks Eisenbahn= u. Steuerreform. Neuere wirtschaftt. Gesetzgebung 1879 81. 
Transportspesen r2c. sein Bier in der unmittelbarsten Nachbarschaft absetzen kann, während 
der norddeutsche häufig ferne Absatzgebiete aufsuchen muß. Daneben sind auch die 
Rohstoffe, Löhne, Geschäftsunkosten, das Anlagekapital in Süddeutschland niedriger 
als in Norddeutschland, und endlich erhält der bayrische Brauer die gesamte von ihm 
verlegte heimische Biersteuer zurückvergütet für alles Bier, welches er aus Bayern aus- 
führt. Die Einfuhr süddeutscher, namentlich bayrischer Biere nach Norddeutschland 
hat sich aber seit 1873 bis 1890/91 fast verwierfacht, die der österreichisch-böhmischen 
id englischen Viere nahezu verdreifacht, dagegen ist die Ausfuhr norddeutscher Biere 
aus der Bransteuergemeinschaft seit 1873 nur ganz umwesentlich gestiegen. 
Der Reichstag hat nun naturgemäß nur einen geringen Teil dieser Bedenken 
gegen eine Erhöhung der norddeutschen Vrausteuer erwogen, als er 1879 und 1887 
am 17. Mai mit allen gegen nur etwa 40 konservative Stimmen diese Erhöhung 
ablehnte. Vielmehr hatte die Brausteuerkommission des Reichstags am 9. Juli 1875 
den Beschluß gefaßt, an eine Erhöhung der Braustener nur heranzutreten, wenn gleich- 
zeitig eine angemessene Erhöhung der Branntweinsteuer ins Auge gefaßt werde. 
Größeren Erfolg hatte Bismarck mit der Reichsstempelstener. Bis 1880 besaß 
das Reich nur den Wechselstempel (seit 1869), der jährlich durchschnittlich gegen 7 Mil- 
lionen Mark einbrachte. Seit dem 3. Juli 1878 war der Spielkartenstempel hinzu- 
gekommen, welcher jährlich nur 1,2 bis 1,3 Millionen eintrng. Am 6. März 1880 
legte nuun Bismarck dem Bundesrat einen neuen Entwirf vor, welcher in der Haupt- 
sache die Börsengeschäste und die Lotterielose, außerdem aber auch die Quittungen des 
täglichen bürgerlichen Verkehrs, die Quittungen über Postanweisungen und Postvor- 
schußsendungen, Lombarddarlehen, Checks und Giroanweisungen mit einer Neichs- 
stempelabgabe belasten wollte. Im Bundesrat wurde die Vorlage im allgemeinen 
genehmigt, dagegen die lästige Quittungsstempelsteuer als nicht empfehlenswert be- 
zeichnet. Am 3. April beschloß dann der Bundesrat endgültig, die Quittungssteuer 
nur mit 10 Pfennig für alle Quittungen zu erheben, welche auf einen Betrag von 
über 20 Mark lauten. Außerdem aber nahm er eine ganze Anzahl der von Bismarck 
der Stempelpflicht unterstellten Gegenstände von dieser aus, namentlich die Post- 
anweisungs= und Postvorschußquittungen. Dieser Beschluß wurde gefaßt mit 30 gegen 
28 Stimmen. Hinter diesen 30 Stimmen, die überdies nicht einmal allenthalben 
von wirklichen Mitgliedern des Bundesrates, sondern von „Stellvertretern“ abgegeben 
wurden, standen aber nur 7½ Millionen der Bevölkerung des Neiches, während die 
Minderheit von 28 Stimmen, darunter Preußen, Bayern und Sachsen, 30 Millionen 
der Bevölkerung vertraten. 
Bismarck faßte diesen ersten Konslikt mit dem Bundesrat sehr erust auf. 
Er verlangte vom Kaiser seine Emlassung. Der Kaiser soll geantwortet haben: „Es 
bleibt bei meinem Niemals!“ Jedensalls lehnte er Bismarcks Entlassungsgesuch ab, 
indem er schrieb: „Ich muß Ihnen überlassen, bei mir und demnächst beim Bundes- 
rat diejenigen Anträge zu stellen, welche eine verfassungsmäßige Lösung eines der- 
artigen Konfliktes der Pflichten herbeizuführen geeignet sind.“ Der Bundesrat benutzte 
einen sormellen Mangel des Beschlusses vom 3. April,, um ihn schon am 12. April
	        
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