918 Twesten — Ueberhangsrecht und Uebersallsrecht.
Twesten, Karl, ö 22. IV. 1820 zu Kiel, kam 1835 nach Berlin, stud. in
Berlin und Heidelberg, ging nach Meran, Venedig, Florenz, 1849—1855 Kreis-
richter in Wittstock, dann am Stadtgericht, nahm 1868 seinen Abschied, F 14. X.
1870. Er hatte 1861 einen Konflikt mit Manteuffel (Duell), trat 1862 ins Ab-
geordnetenhaus, wo er sich als Redner der Fortschrittspartei auszeichnete (Rede vom
20. Mai 1865), 1865 mit der Regierung wegen Redefreiheit der Abgeordneten in
Konflikt und zu einer Geldbuße von 300 Thlr. verurtheilt.
Schriften: Die Patrizier, Leipz. 1848. — Woran uns gelegen ist, Kiel 1859. — Was
uns noch retten kann, Berl. 1861. — Schiller in seinem Verhältniß zur Wissenschaft, 1863. —
Machhiavelli, Berl. 1868. — Die religiösen, politischen, sozialen Ideen der asiatischen Kultur-
völker und- der Aegypter in ihrer historischen Entwickelung, herausgegeben von Lazarus,
Berl. 1873.
Lit.: Grenzboten 1870, Nr. 44, S. 161—168 (Gneist). — Lasker, Grabrede, Berl.
1870. — Rolin in Revue de droit international 1871 p. 151. Teichmann.
TzZerstedt, Brand von, war Rathsherr zu Lüneburg, # 1451.
Er schrieb eine 1442 zu Lüneburg vollendete „Glosse“ zum Sachsenspiegel.
Lit.: Stobbe, Rechtsquellen, I. 382, 888. Teichmann.
u.
Ueberhangsrecht und Ueberfallsrecht (Th. I. S. 491). Nach Röm.
Recht gehören die in das Nachbargrundstück herüberhängenden Zweige und Früchte
nicht weniger dem Eigenthümer des Baumes, als die in dem Luftraum seines
eigenen Grundstücks befindlichen. Jeder Nachbar ist sogar verpflichtet, das Auflesen
der auf sein Grundstück herübergefallenen Früchte unter gewissen in seinem Interesse
getroffenen Beschränkungen dem Baumeigenthümer zu gestatten. Die älteren Deutschen
Rechtsquellen sprechen aber durchweg dem Eigenthümer des Nachbargrundstücks das
Eigenthum an den gedachten Aesten und Früchten zu. Einige freilich nur unter
Beschränkungen, so daß sie dem Eigenthümer des Baumes das Recht geben, die in
das Nachbargrundstück hineinreichenden Zweige zu sich herüberzuziehen, und dem
Nachbar Eigenthum nur an denen geben, bei welchen dies nicht gelingt; oder daß
sie dem Nachbar nur die bereits herübergefallenen, nicht aber die herüberragenden
Früchte (also das Ueberfallsrecht, aber nicht das Ueberhangsrecht) zusprechen (s. z. B.
Sächs. Weichbildr. Art. 126; Sächs. LR. II. Art. 52; Rechtsb. nach Dist. II. 2, 14).
Im Gemeinen Sachsenrecht hat sich das Deutschrechtliche Prinzip, welches man mit vollem
Recht auch auf die in das Nachbargrundstück hineinreichenden Wurzeln ausgedehnt hat,
erhalten. Ob demselben überhaupt gemeinrechtliche Bedeutung beizulegen, ist be-
stritten. Die meisten Schriftsteller leugnen es, lassen das Prinzip daher nur da
gelten, wo es sich partikularrechtlich erhalten hat. Von den neueren Part. R. spricht
das Preuß. LR. (Th. I. Tit. 9 §§ 287—290) zunächst dem Grundstücksbesitzer die
Befugniß zu, die unter seinem Grund und Boden fortlaufenden Wurzeln und die
über seine Grenze herüberhängenden Zweige fremder Bäume zu beseitigen, verpflichtet
ihn aber in diesem Falle, das Holz dem Eigenthümer des Baumes auszuliefern.
Wenn der Grundstücksbesitzer aber die Zweige duldet, so darf er nach dem LR. sich
diejenigen Früchte aneignen, welche der Eigenthümer des Baumes nicht würde ein-
sammeln können, ohne den Grund des Nachbars zu betreten. Diese Grundsätze hat
dem Wesen nach auch das Sächs. BG. (88 362 ff.) adoptirt. Nur spricht es dem
Nachbar das Eigenthum an den abgeschnittenen Wurzeln (nicht auch an den Zweigen)