Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Uneheliche Kinder. 921 
gab ihnen neben einem Alimentationsanspruch gegen den Erzeuger und dessen Erben 
sogar unter Umständen ein gesetzliches Erbrecht auf ein Sechstel des väterlichen Ver- 
mögens (Nov. 89; M. S. Mayer, Das Intestaterbrecht der liberi naturales nach 
dem heutigen Röm. Rechte, 1838). Die legitimatio per oblationem curiae galt 
sogar für alle Arten von u. K. Jedoch trat in dem späteren Röm. Rechte wiederum 
zum Nachtheil gewisser Klassen derselben eine Ausscheidung der in Ehebruch und 
Inzest erzeugten von den spurür ein, indem wenigstens die incestuosi von dem 
Intestaterbrecht gegenüber der mütterlichen Linie sowie von dem bezeichneten Erb- 
recht gegenüber dem Vater ausgeschlossen wurden (Windscheid, III. § 571, 13; 
574, 14), während beiden Klassen Justinian jeden Alimentationsanspruch absprach 
(Nov. 74, 6; 89, 15). Selbst den Konkubinenkindern ersparte Nov. 89 eine gewisse 
Erwerbsunfähigkeit gegenüber testamentarischer Verfügung des Erzeugers nicht (Wind- 
scheid, III. § 550, 9). 
Die Deutsche Praxis, welche sich an das rezipirte Röm. Recht anschloß, scheint 
nun darauf ausgegangen zu sein, die Grundsätze des Röm. Rechts zu verallgemeinern, 
namentlich das blos für Römische Konkubinenkinder Aufsgestellte auf alle u. K. aus- 
zudehnen. Die Richtigkeit dieser letzteren Manipulation ist nun freilich nicht für 
alle Fälle zweifellos, z. B. hinsichtlich der erbrechtlichen Bestimmungen gegenüber 
dem Vater. Aber zweifellos hat sich auf Grundlage Deutschen Gewohnheitsrechts 
ein allgemeiner Alimentationsanspruch der u. K. ausgebildet, kraft dessen sie gegen 
den Erzeuger, Beweis der Paternität vorausgesetzt (s. d. Art. Paternitätsklage und 
dazu W. Fuchs, Die Rechtsvermuthung der ehelichen Vaterschaft, 1880), auf Ge- 
währung von Erziehung und Unterhalt klagen können (s. d. Art. Alimentations- 
pflicht), so daß die Alimentationspflicht der mütterlichen Ascendenten eine sekundäre 
geworden ist. Man pflegte diese Alimentationspflicht auf eine Vorschrift des kanonischen 
Rechts (c. 5 X. 4, 7) zurückzuführen, allein, daß dies irrthümlich geschah und 
daß die Alimentationspflicht lediglich mit Deutscher Rechtsübung begründet werden 
kann, ist längst anerkannt (v. Roth, Bayr. Civilrecht, 2. Aufl. § 104, 5). Ueber- 
haupt hat das kanonische Recht in der Materie der u. K. keine Milderung des be- 
stehenden Rechtszustandes geschaffen — nicht einmal bezüglich der adulterini und 
incestuosi, vgl. z. B. Windscheid, II. § 522, 3 —, außer der Gleichstellung der 
Putativehe mit einer rechtsgültigen Ehe, in Folge deren nun die Kinder einer 
Putativehe die Rechte ehelicher Kinder und der in bona üde befindliche Ehegatte die 
Rechte eines ehelichen parens gegenüber den Kindern genießen (s. d. Art. Putativehe). 
Die Rechtsstellung der u. K. im gemeinrechtlichen Gebiete ist demnach die, daß 
sie der Mutter und der mütterlichen Familie gegenüber die Rechte ehelicher Kinder 
zu beanspruchen haben, wo nicht eine lex specialis, wie das Lehnrecht bezüglich der 
Lehenfolge (Fend. II. 26, 11; Sächs. Lehnr. Art. 2, § 1) oder das Preuß. Land- 
recht bezüglich des Adels (II. 2 § 6419), sie ausdrücklich davon ausschließt. Sie theilen 
Stand und Wohnort der Mutter, die väterliche Gewalt, welche ihr Großvater über 
die Mutter ausübt, erstreckt sich auch auf sie und das Recht der gesetzlichen Vor- 
mundschaft läßt sich, wenn man c. 3 C. 5, 35 verallgemeinert, der Mutter und 
Großmutter nicht bestreiten (anderer Meinung: Emmerich, Ztschr. f. Civilr. u. Proz. III. 
208 ff.; Sintenis, Civilr., III. § 146, 4). Gegen den Erzeuger haben sie nur den 
Alimentenanspruch und das bezeichnete außerordentliche Erbrecht. Der Erzeuger hat 
das Letztere gegen sie und kann ihnen, wiederum Verallgemeinerung von c. 4 C. 5, 29 
vorausgesetzt, letztwillig einen Vormund bestellen; sie zu ehelichen Kindern zu machen, 
ist nur auf dem Wege der Legitimation, nicht auch der Adoption möglich; bloße 
Anerkennung des Kindes als eines eigenen giebt nur ein Beweismittel für die 
Paternität an die Hand und steht der Legitimation keineswegs gleich. (Bähr, An- 
erkennung, 2. Aufl. 204 ff.; vgl. Windscheid, II. 8522, 7.— Ueber die Erfordernisse 
einer Eintragung der Anerkennung des u. K. im Geburtsregister s. Reichsgesetz über 
die Beurkundung des Personenstands vom 6. Febr. 1872 § 25.)
	        
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