922 Unfruchtbarmachung.
Die hervorragenden der modernen, in Deutschland geltenden Landesrechte haben
die Tendenz, die Rechte der u. K. im Allgemeinen noch mehr zu beschränken, als
das Gemeine Recht. So beschränkt das Preuß. LR. die Verwandtschaftsrechte der
u. K. auf die Mutter und läßt nur subsidiär die mütterlichen Großeltern für
Alimente haften (Allg. LR. II. 2 §8 629, 639). Am Weitesten geht in dieser Be-
ziehung das Französische Recht, welches nicht nur der Anerkennung seitens eines
Elterntheils allein für den Anerkennenden selbst Wirkung zuschreibt, sondern auch
die Anerkennungsklage gegen den Erzeuger blos für statthaft erklärt, wenn die Mutter
entführt oder genothzüchtigt worden ist (Code civ. art. 336, 340; Stabel, Institu-
tionen des Franz. Civilr., 80). Gesetzliches Erbrecht gegen den Vater hat das Preuß.
Recht unter Umständen und nur als einseitiges (Dernburg, Preuß. Privatr., III.
§ 192), das Sächs. Recht nur für Brautkinder (BG. 88 2018, 1578, 2025)
anerkannt; Frankreich gewährt solches gegen den anerkennenden Elterntheil in aus-
giebigerer Weise, nämlich sowol Intestaterbrecht als außerordentliches Erbrecht
neben gesetzlichen Erben (Stabel, a. a. O., 179—182, 185). Den Alimentations-
anspruch, den die u. K. gegen ihren Erzeuger haben, bestimmen Preußen und
Sachsen dahin, daß der Erzeuger eventuell das Recht hat, die Erziehung des Kindes
selbst zu übernehmen (Dernburg, a. a. O. § 71, 20; Sächf. B. §. 1870).—
Andererseits haben die neueren Gesetzgebungen von der Benachtheiligung einzelner
Klassen von u. K. ausdrücklich abgesehen. Die Kinder aus nichtigen oder für
ungültig erklärten Ehen stehen in Preußen den ehelichen ohne Weiteres gleich, was
freilich nur für sie und ihre Descendenz gegenüber Eltern und vollbürtigen Geschwistern
gilt; Brautkinder werden in Preußen seit dem Gesetz vom 24. April 1854 von
anderen u. K. nicht mehr unterschieden (Dernburg, a. a. O. § 72, 3; § 186, nach
Note 13). Das Sächsische BGB. erwähnt eine Beschränkung der Rechte gewisser u. K.
an den Stellen, auf die es ankommt, nicht (§§ 1801, 1858 ff., 1874, 2019).
Nach dem Code allerdings wirkt die Anerkennung für adulterini und incestuosi
nicht weiter, denn als Zusage von Alimenten (art. 335—762). — Im Einzelnen
mag noch besonders im Verhältnisse zum Gemeinen Recht bemerkt werden die Be-
schränkung der u. K. im Empfang von letztwilligen Zuwendungen und Schenkungen
unter Lebenden im Code civ. (art. 908; Stabel a. a. O. 227), die Uebertragung der
gesetzlichen Vormundschaft über die u. K. an den mütterlichen Großvater in der
Preuß. Vormundschaftsordnung § 12, 2 (Dernburg, a. a. O. 8 70, 9) und die Ge-
stattung der Adoption seitens des Erzeugers im Sächs. BGB. 8 1790.
Lit.: Busch, Theoretisch-praktische Darstellung der Rechte geschwächter Frauenspersonen
gegen ihre Verführer und der unehelichen Kinder gegen ihre Erzeuger, 1828. — Gett, Ueber
die Rechtsverhältnisse aus der auherehelichen Geschlechtsgemeinschaft, 1836. — Sintenis,
Prakt. Gemeines Civilrecht, III. § 138 II. — Roth und v. Mezbon. Kurhessisches Privat-
recht, I. §§ 164—167 (1858). — v. Lü- Bayer. Civilrecht, I. 2. Aufl., 88 104 - 107.
Böhlau. Mecklenb. LR., II. 1 8§ 82, 83. — Dernburg, ermbiche Privatrecht, m.
—— Roth, Deutsches Privatrechi, II. 88 171—178. J. Merkel.
Unfruchtbarmachung: die absichtliche Beraubung der Zeugungsfähigkeit,
wodurch die Beiwohnung nicht nothwendig unmöglich, jedenfalls aber fruchtlos
gemacht wird, sterilitatis procuratio. Die 1. Cornelia de sic. bestraft nur die
Zerstörung des männlichen Zeugungsvermögens. Die kirchlichen Straf= und Buß-
rechte betrachten die U. aus dem Gesichtspunkte einer Vereitelung künftiger Geschlechter
und stellen den Thäter eines solchen Frevels einem Todtschläger gleich. So zahl-
reich die Pönitenzen der Bußbücher der Kirche gegen dieses Verbrechen an der
Geschlechtsfunktion sind und so tief der sittliche Abscheu sich in der Auffassung dieses
in der Strafbarkeit der Tödtung gleichgestellten Frevels ausspricht, so hat sich doch
die Kirche von dieser an die Phrygische Attismythe, die Kastration der Gallen, der
Nilspriester u. a. erinnernden Schmach seit dem 17. Jahrhunderte nicht rein er-
halten. Weil es für ein Aergerniß galt, wenn Frauen in der Kirche sangen und