Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Strafbescheid. 807 
Zuständigkeit des Gerichtes bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln. Demnach 
ist das Schöffengericht zuständig, wenn die festgesetzte Geldstrafe den Betrag von 
600 Mark nicht übersteigt (GVG. § 27 N. 1 und 2), denn falls sich die Strafe 
nach der Höhe der Defraudation ausschließlich richtet, ist die in concreto verhängte 
zugleich auch die in thesi angedrohte. Damit wird auch der Einwand hinfällig, 
den v. Schwarze (S. 23 N. 3) gegen die Anwendbarkeit des § 27 N. 2 
daraus ableiten will, daß bei den Zoll= und Steuergesetzen ein Maximum der 
Strafe gar nicht angegeben sei. Allerdings scheint GG. § 75 N. 15 indirekt die 
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben 
und Gefälle, deren Strafe in dem mehrfachen Betrage einer hinterzogenen Abgabe 
oder einer andern Leistung besteht, der Kompetenz der Landgerichte zuzuweisen, doch 
ist zu bedenken, daß eine strikte Interpretation desselben die Zuständigkeit der 
Schöffengerichte überhaupt sowol bei den Uebertretungen wie bei den Vergehen aus- 
schließen würde, während aus StrasP O. § 463 A. 2 deutlich hervorgeht, daß in 
einigen Fällen die Schöffengerichte von vornherein zuständig sind. Uebrigens ist die 
Anwendbarkeit des § 27 um so unbedenklicher, als § 75 gar nicht allgemein, sondern 
nur für den Fall spricht, daß das Schöffengericht nicht ohnehin schon zuständig ist. 
Er findet im vorliegenden Falle also dann Anwendung, wenn für die in N. 15 
charakterisirten Zuwiderhandlungen ausnahmsweise eine dem richterlichen Ermessen 
freien Spielraum lassende Geldstrafe (vgl. z. B. Salzsteuergesetz § 16) oder eine 
Freiheitsstrafe (z. B. Vereinszollgesetz § 140 ff.) angedroht ist. So Löwe (S. 41 
N. 12 vgl. die dort Citirten), anderer Meinung v. Schwarze (S. 23), Voitus 
(Kontroversen, I. S. 124 ff.), Löbe (S. 151). Bis zur Einsendung der Akten an 
die Staatsanwaltschaft, nicht auch wie Puchelt (S. 778 N. 11) meint, bis zur 
Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung, kann der S. von der Verwaltungs- 
behörde zurückgenommen werden, ohne daß dadurch ein Verbrauch des Strafklage- 
rechtes im Allgemeinen einträte. Doch wird man (vgl. Meves, S. 431) annehmen 
müssen, daß nach der Fassung der StrafPO. § 464 von dem dort der Verwaltungs- 
behörde eingeräumten Rechte in diesem Fall kein Gebrauch mehr gemacht werden 
kann. — Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft den An- 
trag dem Gerichte mitzutheilen, welches zunächst dessen Rechtzeitigkeit prüfen und 
ihn entweder als verspätet zurückweisen oder einen Termin zur Hauptverhandlung 
anberaumen muß. Bis zum Beginn desselben kann der Antrag zurückgenommen 
werden. Einer Anklageschrift bedarf es ebensowenig, wie einer Entscheidung über die 
Eröffnung des Verfahrens (Strast O. § 462). Letzteres weicht von dem nach vor- 
läufiger polizeilicher Strafverfügung (val. III. S. 81) nur insofern ab, als die Ver- 
waltungsbehörde sich demselben anschließen kann, in welchem Falle sie einen Vertreter 
(einen Beamten ihres Verwaltungszweiges oder einen Rechtsanwalt) bestellen muß. 
Es kommen alsdann für sie die für den Anschluß des Verletzten als Nebenkläger 
gegebenen Bestimmungen zur Anwendung (StrafPO. § 467). Es hat namentlich 
auch das Gericht die in Strasp O. § 436 A. 2 vorgesehene Entscheidung zu treffen 
(anderer Meinung Meves, S. 432). Dieselbe kann sich freilich nur auf die 
formale Berechtigung zum Anschluß erstrecken, doch ist das beim Nebenkläger ebenso, 
und es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß das Gericht das Recht und die 
Pflicht hat, den Anschluß einer Verwaltungsbehörde, welche zum Erlaß eines S. in 
der Sache überhaupt nicht berechtigt gewesen wäre, zurückzuweisen. — Durch § 462 
ist allerdings ein eigentliches Zwischenverfahren ausgeschlossen, doch wird man dem 
Gerichte das Recht nicht versagen können, falls die Sache nicht genügend aufsgeklärt 
erscheint, ein Vorverfahren einzuleiten. Diese Aussicht (ogl. Voitus, S. 94) wurde 
in der Reichsjustizkommission auf eine Anfrage hin von den Regierungsvertretern bestätigt 
(vgl. Hahn, S. 1124). — Bezüglich seines Urtheils ist das Gericht an den In- 
halt des S. nicht gebunden, jedoch kann es nur über die Straffrage, nicht auch 
darüber entscheiden, ob, falls die Zahlungspflichtigkeit überhaupt feststeht, eine Nach-
	        
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