Universitas iuris et facti. 931
c. 1, 2. — Preuß. Allgem. LR. I. 12 §§ 59 ff., 259 ff., 466 ff. — Oesterr. BGB. §#§ 608 ff.,
702. — Code civil art. 896, 1048 ss. — Sächf. BGB. §8§ 2503 ff., 631 ff. — Mommsen,
Erbr.-Entw., §§ 443 ff. Schütze.
Uniwversitas juris et facti. Unter U. überhaupt versteht man ein aus mehreren
Sachen zusammengesetztes Begriffsganzes, welches nicht aus der Summe der einzelnen
Bestandtheile besteht, sondern bei einem ordnungsmäßigen Wechsel derselben immer
noch als dasselbe Ganze fortdauert, also gleichsam ein organisches Wesen ist
(vgl. besonders 1. 30 § 2 D. de usurp. et usucap. 41, 3 und 1. 76 D. de
iudicüs 5, 1). Der Begriff der U. hat keine objektive Existenz, sondern nur
die ihm in dem einzelnen Falle durch das Rechtssubjekt beigelegten relativen
Funktionen. Wenn nur körperliche Sachen zu einer U. verbunden sind, so spricht
man von einer universitas facti, rerum oder hominis und scheidet zwischen universitas
rerum cohaerentium und universitas rerum distantium. Als Beifpiele für die letzteren
kennt das Römische Recht die universa vestis (Garderobe), supellex, penus, merxz,
grex, mundus, ornamenta u. a. m. Treten zu den körperlichen Sachen auch un-
körperliche (Rechte) hinzu, so heißt das Ganze universitas iuris, wie z. B. das ge-
sammte Vermögen einer Person, die dos, ein peculium. Dieser von den Aelteren
aufgestellte Gegensatz wird von den Neueren allgemein als bedeutungslos ver-
worfen.
Juristisch ist die U. insofern von Bedeutung, als sie Gegenstand einer Ver-
äußerung, Verpfändung, eines Vermächtnisses und der Universalsuccession (von Todes
wegen) sein kann, auch kann die U. unter Umständen mit einer dinglichen Uni-
versalklage gefordert werden, z. B. eine Herde mit einer rei vindicatio. Dagegen
kann man nach der richtigen Ansicht nicht Eigenthum oder Besitz oder Pfandrecht
an der U. haben, sondern nur an den einzelnen zu ihr gehörigen Gegenständen, so daß
auch die durch einen Akt veräußerte U. im Einzelnen tradirt werden muß. Un-
richtig ist, daß bei jeder U. der Satz gelte: res succedit in locum pretü et pretium
in locum rei; dieser findet nur eine sehr beschränkte Anwendung bei dem peculium,
der dos und der hereditas.
Der Begriff der U. findet sich auch im Deutschen Recht mit der Abweichung
vom Römischen Recht, daß die U. in einigen Beziehungen zu den Immobilien ge-
rechnet wird, wie so manche andere Sachen auch. Unter den Partikularrechten
kennt das Peuß. Allgem. LR. den „Inbegriff“, welcher gebildet wird durch mehrere
besondere Sachen mit gemeinsamem Namen, und welcher auch alle einzelnen Sachen
und Rechte eines Menschen umfassen kann (das Vermögen, die Verlassenschaft).
Wesentlich ist auch hier, daß durch Zutritt oder Abgang einzelner Stücke die Rechte
und Verbindlichkeiten in Ansehung des Ganzen nicht geändert werden; andererseits
gehen die besonderen Rechte an einer Sache durch deren Einverleibung in einen In-
begriff noch nicht unter. Das Preußische Recht geht aber weiter insofern, als es
die Veräußerung eines solchen Vermögenskomplexes zuläßt mit der Wirkung, daß
auch die Passiva auf den Erwerber übergehen, wenigstens insoweit, als sie durch die
Aktiva gedeckt werden. Hiermit steht im Zusammenhang die im Handelsrecht viel
behandelte Frage, inwiefern ein Handelsgeschäft (eine Firma) als U. auf einen neuen
Erwerber übergehe, ob nämlich auch die Schulden desselben mit übertragen werden.
Für den Uebergang der Passiva spricht meines Erachtens besonders der von Dern-
burg (Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. I. § 60 Anmerk. 9) angeführte
Grund, daß im modernen Recht das Prinzip enthalten sei, „die faktische Zusammen-
gehörigkeit gewisser Aktivbestandtheile und zugehöriger Schulden auch als juristisch
wirkend anzuerkennen.“
Auch das Oesterreichische Allgem. BG. kennt den Begriff der Gesammtsache
mit denselben Wirkungen, wie das Gemeine Recht, aber ohne die Scheidung von
U. facti und U. juris. Das Französische Recht schließt sich ganz an das Gemeine
Recht an, ebenso das Sächsische Recht mit der Besonderheit, daß auch mehrere auf
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