Untersuchungshaft. 945
gefangenen und dieser letzteren von einander, wovon jedoch mit Zustimmung des
Verhafteten abgegangen werden kann. Als selbstverständlich wird außerdem anzu-
sehen sein, daß die Verwaltungsbehörde in Beziehung auf Isolirung nicht nur dieser
allgemeinen Vorschrift, sondern auch im einzelnen Falle der richterlichen Weisung zu
folgen hat, wo der Richter zur Vermeidung gefährlicher Kollusion die Isolirung des
Gefangenen vorschreibt. 2) Vermeidung aller solcher Einschränkungen der persönlichen
Freiheit, die nicht durch den Zweck des Strafverfahrens und die „Ordnung im
Gefängnisse“ gefordert werden. Abgesehen von Gründen der Ordnung muß es
daher als unzulässig gelten, dem Gefangenen seine eigene Kleidung zu entziehen.
3) Unter gleichen Voraussetzungen der Ordnung, der Sicherheit und der Aufrecht-
erhaltung der strafprozessualischen Zwecke hat der Verhaftete das Recht, sich die
seinem Vermögensverhältniß entsprechenden „Bequemlichkeiten und Beschäftigungen“
auf seine Kosten zu verschaffen. Da nichts den Untersuchungsgefangenen verhindert,
Geschenke von anderen anzunehmen, ist diese Bestimmung lediglich dahin auszulegen,
daß auf Staatskosten irgend welche Bequemlichkeiten nicht beansprucht werden dürfen,
soweit solche nicht zur Erhaltung der Gesundheit nothwendig sind. Nach Analogie
des § 487 dürfte bei naher Lebensgefahr für den Angeklagten auch die Untersuchungs-
haft als unzulässig zu erachten sein. In solchen Fällen muß es dem Richter vor-
behalten bleiben, den zu Verhaftenden in einer Krankenanstalt oder im Hausarrest
bis auf Weiteres zur Verhinderung der Flucht oder etwaiger Kollusion beobachten zu
lassen. 4) Nur in Ausnahmefällen (besondere Gefährlichkeit des Verhafteten, Selbst-
mords= oder Entweichungsversuche) ist Fesselung im Gefängnisse zulässig. Für
Transportirungen von einem Gefängnisse zum anderen, oder zur Gerichtsstelle und
von derselben gilt dies Verbot der Fesseln ebensowenig, wie für die Verhandlung vor
dem Untersuchungsrichter. 5) Der Richter hat die Ausführung der im Interesse des
Verhafteten gegebenen reichsrechtlichen Normen zu überwachen, womit ihm
gleichzeitig auch eine Kontrole der zur Sicherung des Strafverfahrens nothwendigen
Verwaltungsvorschriften gegeben ist. Erschöpfend sind diese Bestimmungen keines-
wegs. Jedenfalls ergeben sich für die Verwaltung der Untersuchungsgefängnisse aus
dem Gesammtinhalt der auf die Vertheidigung des Angeklagten bezüglichen Prozeß-
vorschriften weitere Verwaltungspflichten. Der rechtmäßige Verkehr des
Verhafteten mit seinem Vertheidiger, mit den Behörden selber, seine Beschwerdeführung
und die Verwaltung seines Vermögens dürfen durch Verwaltungsvorschriften nicht
auf Umwegen vereitelt oder verhindert werden.
Die Oesterr. StrafP O., welche durch keinerlei Rücksicht auf die Selbständig-
keitsrechte einzelstaatlicher Justizuerwaltung behindert war, enthält eingehendere,
höchst zweckmäßige Bestimmungen zum Schutz der Verhafteten.
Selbst wenn von Seiten des Staates alles geschah, um die U. auf das schlecht-
hin unerläßliche Maß von Beschränkungen zurückzuführen, bleiben jedoch zwei Folge-
zustände bestehen: der Verurtheilte erleidet ein Mehr an Strafe, denn das
wesentliche Element aller Freiheitsstrafen, die Freiheitsentziehung, bleibt auch in der
U. Der Freigesprochene erleidet ein hinterher als unverschuldet vom Staat
selbst anerkanntes und vom Staat zugefügtes Uebel, sei es an seinem Ruf, sei es an
seinem Vermögen, oder an seiner Freiheit.
Auf diese Erwägungen stützt sich, soweit Verurtheilte in Betracht kommen, die
Bestimmung des RStraf CB. § 60; wonach eine erlittene U. auf die erkannte Strafe
ganz oder theilweise angerechnet werden kann, eine Ermächtigung, die sich auch auf
den Fall bezieht, wo zwar wegen des die Verhaftung veranlassenden Anklagefalles
Freisprechung erfolgte, in einer gleichzeitig geführten Untersuchung wegen eines ander-
weitigen Anklagepunktes dagegen eine Verurtheilung ausgesprochen wurde. Neben
dieser nur fakultativen Anrechnung der U. steht die obligatorische Anrechnung
der U. bei der Berechnung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in Gemäßheit der
RStrafPO. § 482. Anzurechnen ist die U., erlitten nach dem Zeitpunkte, wo der
v. Holtzendorff,. Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 60