Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Untersuchungsrichter. 947 
festzuhalten. Dies schließt nicht aus, daß einzelne, selbst sehr zahlreiche, ja viel- 
leicht sogar alle Akte der Voruntersuchung durch von dem U. requirirte Behörden 
vorgenommen werden; es kann dies in Bezug auf einzelne Maßregeln oder Er- 
mittelungen, welche in den Wirkungskreis der Behörden und Beamten des Polizei- 
und Sicherheitsdienstes fallen, durch diese geschehen und haben dieselben „Ersuchen 
und Aufträgen des U. zu genügen“ (§ 187). Handelt es sich um gerichtliche „Unter- 
suchungshandlungen“, so kann der U. die Amtsrichter ersuchen. (StrasP O. § 183. 
Wenn über diese Regquisitionen a. a. O. gesagt ist. die bezüglichen Bestimmungen 
finden auf „Amtsrichter, welche mit dem U. denselben Amtssitz haben“, keine An- 
wendung, so muß umgekehrt angenommen werden, daß auswärtige U. sich nicht an 
U., sondern stets nur an die an dem Sitze der letzteren befindlichen Amtsrichter zu 
wenden haben.) Immerhin aber handelt es sich dabei niemals um die Führung 
der ganzen Voruntersuchung, sondern um einzelne Untersuchungshandlungen, deren 
Veranlassung, Beurtheilung und Ergänzung immer wieder dem U. zukommt, welcher 
auch allein berufen ist, die Voruntersuchung zu eröffnen und deren Ende herbeizuführen. 
In gleicher Weise kann auch der U. am Reichsgerichte um die Vornahme einzelner 
Untersuchungshandlungen die Amtsrichter ersuchen (§ 189 Abs. 3). Die daneben- 
stehende Bestellung von Vertretern des U., welche selbst wieder Requisitionen an 
Amtsrichter erlassen können, ist daher etwas Anderes; und muß wol so verstanden 
werden, daß beim Zusammentreffen einer Mehrheit von Anschuldigungsgründen oder 
Angeschuldigten oder doch von getrennt zu behandelnden Vorfällen hinsichtlich ein- 
zelner derselben die volle Aufgabe des U. auf dessen Vertreter, unbeschadet der for- 
mellen Zusammengehörigkeit der Untersuchungshandlungen und ihrer Eigenschaft als 
Theile derselben Voruntersuchung, übertragen wird. Die Angabe der Motive, die 
Bestimmung beruhe „auf der Erwägung, daß Untersuchungen der fraglichen Art sich 
häufig über so große Bezirke erstrecken, daß die gleichzeitige Thätigkeit mehrerer U. 
nothwendig wird“, genügt nicht, das Verhältniß dieser Theiluntersuchungen zur ein- 
heitlichen Voruntersuchung außer Zweifel zu stellen. 
Der U. nimmt in mehrfacher Hinsicht eine eigenthümliche Stellung ein. Er 
ist berufen, eine Untersuchung zu führen und hat dabei sich lediglich von seiner 
Auffassung dessen, was zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe erforderlich ist (val. 
d. Art. Voruntersuchung), leiten zu lassen. Diese Aufgabe selbst ist an sich 
eine richterliche im gewöhnlichen Sinne nicht; denn die wesentliche Funktion des 
Richters ist richten, über entgegengesetzte Ansprüche entscheiden, während die Unter- 
suchung nur eine Entscheidung vorbereitet. Der U. ist aber nicht blos Untersuchender, 
sondern auch Richter, nicht blos in dem Sinne, daß er die wichtigste Eigenschaft 
des Richters, volle Unbefangenheit und Unparteilichkeit in seine Thätigkeit mit- 
bringen muß, sondern auch in dem Sinne, daß er bei dieser seiner Aufgabe mit 
richterlicher Macht ausgerüstet und von all den Garantien umgeben ist, welche die 
Unabhängigkeit richterlicher Thätigkeit zu sichern bestimmt sind. Er ist ferner Richter 
in dem Sinne, daß er den Betheiligten richterliches Gehör schuldig ist, daß er in den 
Fall kommt, Inzidentalentscheidungen zu fällen und daß seine Thätigkeit immer nur 
als der Ausfluß der Gesammtthätigkeit des richterlichen Organismus im Staate 
erscheint. Eben darum ist seine Beziehung zu diesem Organismus von besonderer 
Wichtigkeit. s 
Die Stellung des U. ist wesentlich eine einzelrichterliche. Es giebt keine 
Behörde, welche berufen wäre, seine Thätigkeit in einer bestimmten Sache in der 
Weise zu berichtigen und zu reformiren, daß dieselbe an sie mit vollem devolutiven Effekt 
überginge, wie dies in den Fällen eintritt, wo ein höheres Gericht statt des niederen 
eine Sache zu verhandeln und zu entscheiden hat. Andererseits greift in seine Thätig- 
keit die Strafkammer des Landgerichtes ein. Darüber heißt es im Deutschen G. 
§ 72: „Die Strafkammern sind zuständig für diejenigen die Voruntersuchung und 
deren Ergebnisse betreffenden Entscheidungen, welche nach den Vorschriften der Straf- 
60“ 
 
	        
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