954 Unzucht.
Regel der Strafbarkeit der Gewerbsunzucht festgestellt worden. Ausnahmsweise soll
deren Straflosigkeit dort eintreten, wo die Polizeibehörde diese unter Kontrole speziell
duldet. Hierbei ist U. gleichbedeutend mit Beischlaf gegen Entlohnung oder in Er-
wartung einer Belohnung. Ueber den Unterschied zur Gewerbsmäßigkeit und Ge-
wohnheitsmäßigkeit s. Dochow, Lehre von gewerbsm. und gewohnh. Verb. 1871;
Wahlberg, Der mittlere Mensch im StrafR., in Grünhut's Zeitschr. f. R. V;
Hälschner, Gem. Deutsches Strafrecht, 1881 § 215.
Im Allgemeinen besteht die Gewerbsmäßigkeit der U. darin, daß die Weibs-
person aus dem fortgesetzten Geschlechtsverkehr mit mehreren Männern eine Erwerbs-
quelle macht. Es bedarf nicht der Gewinnung des Lebensunterhaltes durch Hurerei,
noch eines Preisgebens an Jeden ohne Unterschied. Die Maitresse wird durch das
Strafverbot nicht getroffen, wohl aber die galante Frau, die sich den fortgesetzten
Beischlaf mit Mehreren in vornehmen Geschenken bezahlen läßt. Zieht der Ehemann
wissentlich daraus Vortheil, so trifft ihn die Strafe einer selbständigen Uebertretung
nach § 511 des Oesterr. Straf GB.
II. Verführung einer jugendlichen Person zur U. Das Deutsche
Reich (§ 182) straft auf Antrag der Eltern oder des Vormundes mit Gefängniß bis
zu einem Jahre, wer ein unbescholtenes Mädchen im Alter unter 16 Jahren zum außer-
ehelichen Beischlaf verführt. Bayern dehnte dieses Vergehen auf jede unbescholtene
Person im Alter von 12—16 Jahren und auch auf Verführung zur Gestattung
des Mißbrauches zu widernatürlicher Wollust aus und strafte dieses Antragsdelikt
bis zu zwei Jahren mit fakultativer Geldstrafe bis zu 1000 Gulden. Unbescholten-
heit bedeutet geschlechtliche Reinheit im physischen Sinne im Sinne des § 182,
nicht blos Unbescholtenheit in geschlechtlicher Hinsicht. Eine geschlechtlich
unbescholtene Person ist nicht identisch mit einer unschuldigen Person zu nehmen und
unter letzterer nicht blos jene zu verstehen, die von aller Unkeuschheit rein ist. Der
Begriff der Unschuld wird zu sehr beengt, wenn derselbe auf gänzliche Unbekanntschaft
mit unkeuschen Vergehungen oder Unkenntniß des Zeugungsaktes beschränkt werden will.
Auf die moralische Unschuld kommt es nicht an. Die Verführung besteht darin, daß
eine Person, ohne selbst durch ihr Verhalten dazu aufzufordern, durch Schmeichelei,
listige oder sonstwie auf Erregung ihrer Sinnlichkeit gerichtete Handlung dahin gebracht
wird, sich zur Begehung oder Duldung einer unzüchtigen Manipulation herbeizulassen,
die sie sonst nicht begangen oder an sich nicht gestattet haben würde. Verführung
erfolgt durch Erregung von Begierden, Verleitung hingegen durch Bestimmung
mittels Vorspiegelung falscher Gründe. In gewisser Beziehung gehört auch der
geschlechtliche Mißbrauch einer geisteskranken Frauensperson hierher, da nicht an-
zunehmen ist, daß nur willenlose oder bewußtlose Geisteskranke den Strasschutz ge-
nießen (Jessen im Gerichtssaal Bd. 31, 1879). Es ist hiernach die Verführung
zur U. auch an einer nicht mehr unschuldigen Person möglich; vollendet ist das
Verbrechen erst mit der von Erfolg begleiteten Verführung. Ist diese ohne Erfolg
geblieben, so liegt versuchte Verleitung vor.
Oesterreich straft nur die Verführung als Verbrechen, wodurch Jemand eine
seiner Aufsicht oder Erziehung oder seinem Unterrichte anvertraute Person zu einer
U.handlung verleitet, ohne des Alters und der Unbescholtenheit der Verführten zu
erwähnen. Das Hauptgewicht wird auf das Wort anvertraut gelegt, ohne die
Personen, welchen die Wartung der Kinder anvertraut ist, bei diesem Verbrechen
zu berücksichtigen; der Begriff Aufsicht setzt nicht die Uebernahme in die Pflege voraus,
und werden Wartung oder Pflege und Aufsicht unterschieden. Unter dem Gattungs-
namen U. versteht das Oesterr. Straf GB. eigentliche U.fälle, wie U. zwischen ent-
fernteren Verwandten und Verschwägerten, Entehrung einer minderjährigen Anver-
wandten durch einen Hausgenossen, U. einer dienenden Frauensperson mit einem
minderjährigen im Hause lebenden Sohne oder Anverwandten, unzüchtiges Gewerbe,
Entehrung unter der Zusage der Ehe 2c., ferner Beförderung fremder U., ohne das