Urkunden. 967
v. 19. Dezbr. 1877 — Entsch. Bd. LXXXI. S. 25). Ist der Erwerb der Forderung
im Zwangsvollstreckungsverfahren mittels Ueberweisung erfolgt, so hat der Schuldner
die Verpflichtung der Herausgabe der U. über die überwiesene Forderung, und kann
der Gläubiger dieselbe nöthigenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung erwirken
(CPO. § 737). Von dieser Regel giebt es eine generelle und im Preuß. Rechte
auch eine singuläre Ausnahme. Letztere findet sich im Allg. LR. I. 17 § 152, nach
welchem nach getheilter Erbschaft der Nachlaßschuldner an denjenigen Erben Zahlung
zu leisten befugt ist, der sich im Besitze der U. befindet. Es ist nicht erforderlich,
daß sich dieser erst noch durch eine von den Miterben auf ihn ausgestellte Cession
legitimirt. Die Ausnahme ist nur eine äußerliche, da die Nachlaßforderung nicht
durch die bloße Uebergabe der U., sondern durch die Nachlaßtheilung auf den Erben
übergeht. Eine generelle Ausnahme dagegen bilden die Inhaber= und die Order-
papiere. Die ersteren werden wie eine körperliche Sache tradirt und mit ihnen
zugleich das Forderungsrecht übertragen: sie werden auch bei der Zwangsvollstreckung
wie eine res corporalis behandelt, von dem Gerichtsvollzieher in Pfandbesitz genommen
und von ihm entweder nach dem Tagekkurse verkauft oder, wenn sie einen solchen
nicht haben, durch Versteigerung verwerthet. Die Orderpapiere werden durch In-
dossament übertragen, und berechtigt ihr Besitz zu ihrer Geltendmachung. Sie können
bei dem Vorhandensein eines Blanko-Indossamentes wie Inhaberpapiere durch
Tradition übertragen werden, und hat dieser Modus zur Folge, daß der Tradent
in den Wechselnexus nicht eintritt. Solche U. sind die Wechsel, die kaufmännischen
Anweisungen und Verpflichtungsscheine, sobald in ihnen die Verpflichtung zur Leistung
nicht von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist (HGB. Art. 301), die an
Order lautenden Konnossemente der Seeschiffer und Ladescheine der Frachtführer, die
von einer zur Aufbewahrung von Waaren oder anderen beweglichen Sachen staatlich
ermächtigten Anstalt ausgestellten Auslieferungsscheine (Lagerscheine) und die Bod-
mereibriefe und Seeassekuranzpolizen (ibid. Art. 302), U., welche sich von den An-
weisungen dadurch unterscheiden, daß sie ausdrücklich an Order ausgestellt sein müssen,
und endlich nach Preuß. Rechte die Grundschuldbriefe. Auch diese U. werden bei
der Zwangsvollstreckung wie körperliche Sachen behandelt, dürfen jedoch von dem
Gerichtsvollzieher nur dann an den Gläubiger herausgegeben werden, wenn er sich
die Forderung durch Gerichtsbeschluß hat überweisen lassen (§ 82 der Geschäfts-
Anweisung für Gerichtsvollzieher).
V. Verlust der U. Aus dem Wesen der U. als eines Beweismittels folgt
einerseits, daß sie ihre Bedeutung verliert, sobald die Thatsache, welche durch sie
erwiesen werden soll, in ihren rechtlichen Folgen durch eine andere Thatsache beseitigt
ist, also z. B. das Forderungsrecht durch die Erfüllung der Obligation ausgehoben
ist; und andererseits, daß durch ihren Verlust nicht auch der Untergang des durch
sie beurkundeten Rechts bedingt wird, und zwar selbst dann nicht, wenn sie Trägerin
des Forderungsrechts ist (vgl. Art. 73 der WO.). Es ist nur ein Beweismittel
verloren gegangen, das durch andere ersetzt werden kann. Um aber den Nachweis
ihres Verlustes zu führen und insbesondere bei den U., welche über ein Forderungs-
recht lauten, einem Mißbrauche derselben entgegenzutreten, bedarf es ihrer Amorti-
sation. In Preußen ist diese bei eingetragenen Forderungen Bedingung der Löschung.
Das für sie nothwendige Verfahren ist ein Aufgebotsverfahren, welches für die ver-
schiedenen Arten von U. verschiedene Erfordernisse aufstellt und mit einem Ausschluß-
urtheil endigt. Die Vorschriften sind in den §§ 837 ff. der CPO. enthalten (vgl.
d. Art. Amortisation). Derjenige, welcher das Ausschlußurtheil erwirkt hat, ist
dem durch die U. Verpflichteten gegenüber berechtigt, die Rechte aus der Urkunde
geltend zu machen.
Andere Bestimmungen gelten für den Prozeß. Hat diejenige Partei, gegen
welche die Urkunde als Beweismittel benutzt werden soll, sie doloser Weise beseitigt,
um dem Beweisführer ihre Benutzung unmöglich zu machen, so soll eine von diesem