Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

986 Urthell. 
daß die Sache sich theilweise durch Aenderungen, die später erfolgten, anders ge- 
staltet hat, so ist hier von Fällen die Rede, in welchen es wol richtiger sein 
würde, wegen der „zur Zeit“ der Strafverfolgung entgegenstehenden Hindernisse, 
die Hauptverhandlung durch Beschluß abzubrechen; und nur diesen Gegensatz hat 
die fragliche Stelle der Motive zum Ausgangspunkt; überdies ist nicht gesagt, daß 
dieselbe die U#formel besprechen wollte. Mögen aber auch die Motive (denen 
indeß die Anordnung des Gesetzes selbst sich nicht angeschlossen hat) etwa eine eigene 
dritte Urtheilsform für die Fälle rechtfertigen, bei welchen ein die Auflösung der 
Ehe aussprechendes U. des Civilrichters die Voraussetzung der Erhebung der Straf- 
klage ist (Strafgesetz §§ 170, 172, 238; vgl. Löwe vor §151 Bem. 16 b; §259 
Bem. 4), so liegt doch gar kein Grund vor, noch weiter zu gehen. Wenn die Straf- 
klage definitiv unhaltbar ist, z. B. weil die That im Inlande nicht verfolgt werden 
kann (Löwe, a. a. O.), so ist sie eben durch Urtheil zurückzuweisen; gegen die 
Verwechselung mit einer Schuldlosigkeitserklärung bieten die Entscheidungsgründe 
Schutz genug. Noch weniger ist abzusehen, wie es mit dem Gesetz in Einklang 
zu bringen wäre, wegen Verjährung ein auf Einstellung des Verfahrens lautendes 
U. zu fällen, „kurz, überhaupt überall da, wo die Beendigung des Strafverfahrens 
ausgesprochen wird, ohne daß in dem Urtheil über die Schuldfrage eine Entscheidung 
getroffen wird“ (Dalcke, bei § 259 No. 4). — Die Stellung des U. im modernen 
StrasPPrz. kann nie richtig geregelt werden, wenn man durch den Umstand, daß das 
verurtheilende Erkenntniß allerdings wesentlich ein deklaratorisches, eine Thatsache 
feststellendes ist, sich verleiten läßt, das freisprechende U. unter den gleichen Gesichts- 
punkt zu bringen: das verurtheilende Erkenntniß kann nur eine Grundlage haben, 
das freisprechende, als ein verneinendes, kann auf den verschiedensten Gründen beruhen. 
Versucht man nun aber dieser Verschiedenheit der Gründe durch Verschiedenheit des 
Spruches Ausdruck zu verschaffen, so kann dies nicht ohne tiefgreifende Folgen bleiben, 
die im Wesentlichen der Rückkehr zur Instanzentbindung gleichkommen und es dem 
Angeklagten erschweren, die Wohlthaten der ihm zu statten kommenden Einreden zu 
genießen. Im Interesse der Gerechtigkeit selbst wird dann das Gericht genöthigt, 
gewissermaßen zum Geschichtsforscher zu werden, Nachforschungen um ihres theore- 
tischen Interesses willen anzustellen, obgleich ein praktisches Resultat daraus nicht 
hervorgehen kann. Wenn z. B. wegen Verjährung nicht freizusprechen wäre, so kann 
sich Niemand, der sich unschuldig fühlt, mit einem blos erstere konstatirenden Spruch 
begnügen; er wird verlangen müssen und das Gericht nicht verweigern können, daß 
die Frage der Schuld geprüft werde, obgleich schon feststeht, daß das Ergebniß der 
Verhandlung zur Verhängung einer Strafe nicht führen kann. Gesetzt nun das 
Beweisergebniß ließe die Schuld zweifelhaft, so würde derjenige, dem die Verjährung 
zu statten kommt, in einer schlimmeren Lage sein, als Derjenige, dem bei gleichem 
Beweisergebniß Verjährung nicht zur Seite steht: letzterer hat unzweifelhaft Anspruch 
auf Freisprechung, jener erzielt nur einen Ausspruch, welcher letzterem nicht gleich- 
kommt. In der That scheut Löwe (5 259 No. 5 und 8) nicht die Konsequenz, 
zu verlangen, daß im Falle der Verjährung das U. laute: „Schuldig, aber 
von Strafe freizusprechen“, so daß die strafrechtliche Verjährung, die ja in 
erster Linie den Unschuldigen gegen verspätete, seine Vertheidigung erschwerende Ver- 
folgungen schützen soll, lediglich dem Schuldigen zu statten käme. Was, um seine 
Forderung zu begründen, Löwe bezüglich der Nothwendigkeit sagt, vor der Ent- 
scheidung über die Verjährung über die Schuldfrage zu befinden, weil ja für die 
Verjährungszeit die strafrechtliche Qualifikation, die erst festzustellen ist, entscheidend 
sei, ist für jene Fälle nicht richtig, wo schon die in der Anklage qualifizirte That 
als verjährt zu erkennen ist; — andererseits ist die Nothwendigkeit genauerer Fest- 
stellungen dieser Art auch in anderen Fällen nicht ausgeschlossen, wo Löwe „ein 
die Schuldfrage nicht entscheidendes U.“ fordert, z. B. bei der Berufung auf die 
Rechtskraft früherer Entscheidungen. 
 
	        
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