986 Urthell.
daß die Sache sich theilweise durch Aenderungen, die später erfolgten, anders ge-
staltet hat, so ist hier von Fällen die Rede, in welchen es wol richtiger sein
würde, wegen der „zur Zeit“ der Strafverfolgung entgegenstehenden Hindernisse,
die Hauptverhandlung durch Beschluß abzubrechen; und nur diesen Gegensatz hat
die fragliche Stelle der Motive zum Ausgangspunkt; überdies ist nicht gesagt, daß
dieselbe die U#formel besprechen wollte. Mögen aber auch die Motive (denen
indeß die Anordnung des Gesetzes selbst sich nicht angeschlossen hat) etwa eine eigene
dritte Urtheilsform für die Fälle rechtfertigen, bei welchen ein die Auflösung der
Ehe aussprechendes U. des Civilrichters die Voraussetzung der Erhebung der Straf-
klage ist (Strafgesetz §§ 170, 172, 238; vgl. Löwe vor §151 Bem. 16 b; §259
Bem. 4), so liegt doch gar kein Grund vor, noch weiter zu gehen. Wenn die Straf-
klage definitiv unhaltbar ist, z. B. weil die That im Inlande nicht verfolgt werden
kann (Löwe, a. a. O.), so ist sie eben durch Urtheil zurückzuweisen; gegen die
Verwechselung mit einer Schuldlosigkeitserklärung bieten die Entscheidungsgründe
Schutz genug. Noch weniger ist abzusehen, wie es mit dem Gesetz in Einklang
zu bringen wäre, wegen Verjährung ein auf Einstellung des Verfahrens lautendes
U. zu fällen, „kurz, überhaupt überall da, wo die Beendigung des Strafverfahrens
ausgesprochen wird, ohne daß in dem Urtheil über die Schuldfrage eine Entscheidung
getroffen wird“ (Dalcke, bei § 259 No. 4). — Die Stellung des U. im modernen
StrasPPrz. kann nie richtig geregelt werden, wenn man durch den Umstand, daß das
verurtheilende Erkenntniß allerdings wesentlich ein deklaratorisches, eine Thatsache
feststellendes ist, sich verleiten läßt, das freisprechende U. unter den gleichen Gesichts-
punkt zu bringen: das verurtheilende Erkenntniß kann nur eine Grundlage haben,
das freisprechende, als ein verneinendes, kann auf den verschiedensten Gründen beruhen.
Versucht man nun aber dieser Verschiedenheit der Gründe durch Verschiedenheit des
Spruches Ausdruck zu verschaffen, so kann dies nicht ohne tiefgreifende Folgen bleiben,
die im Wesentlichen der Rückkehr zur Instanzentbindung gleichkommen und es dem
Angeklagten erschweren, die Wohlthaten der ihm zu statten kommenden Einreden zu
genießen. Im Interesse der Gerechtigkeit selbst wird dann das Gericht genöthigt,
gewissermaßen zum Geschichtsforscher zu werden, Nachforschungen um ihres theore-
tischen Interesses willen anzustellen, obgleich ein praktisches Resultat daraus nicht
hervorgehen kann. Wenn z. B. wegen Verjährung nicht freizusprechen wäre, so kann
sich Niemand, der sich unschuldig fühlt, mit einem blos erstere konstatirenden Spruch
begnügen; er wird verlangen müssen und das Gericht nicht verweigern können, daß
die Frage der Schuld geprüft werde, obgleich schon feststeht, daß das Ergebniß der
Verhandlung zur Verhängung einer Strafe nicht führen kann. Gesetzt nun das
Beweisergebniß ließe die Schuld zweifelhaft, so würde derjenige, dem die Verjährung
zu statten kommt, in einer schlimmeren Lage sein, als Derjenige, dem bei gleichem
Beweisergebniß Verjährung nicht zur Seite steht: letzterer hat unzweifelhaft Anspruch
auf Freisprechung, jener erzielt nur einen Ausspruch, welcher letzterem nicht gleich-
kommt. In der That scheut Löwe (5 259 No. 5 und 8) nicht die Konsequenz,
zu verlangen, daß im Falle der Verjährung das U. laute: „Schuldig, aber
von Strafe freizusprechen“, so daß die strafrechtliche Verjährung, die ja in
erster Linie den Unschuldigen gegen verspätete, seine Vertheidigung erschwerende Ver-
folgungen schützen soll, lediglich dem Schuldigen zu statten käme. Was, um seine
Forderung zu begründen, Löwe bezüglich der Nothwendigkeit sagt, vor der Ent-
scheidung über die Verjährung über die Schuldfrage zu befinden, weil ja für die
Verjährungszeit die strafrechtliche Qualifikation, die erst festzustellen ist, entscheidend
sei, ist für jene Fälle nicht richtig, wo schon die in der Anklage qualifizirte That
als verjährt zu erkennen ist; — andererseits ist die Nothwendigkeit genauerer Fest-
stellungen dieser Art auch in anderen Fällen nicht ausgeschlossen, wo Löwe „ein
die Schuldfrage nicht entscheidendes U.“ fordert, z. B. bei der Berufung auf die
Rechtskraft früherer Entscheidungen.