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bleibt aber der Hinweis auf das rein Thatsächliche. Es ist daher schon oben be-
merkt worden, daß das Gericht an die Rechtsansicht, von welcher der Verfasser der
Anklage ausging, in keiner Weise gebunden sei, es kann also urtheilen, daß die
That, obgleich sich die Angaben des Anklägers über dieselbe in der Hauptverhandlung
vollständig bewährten, nicht unter den in der Anklage geltend gemachten strafrecht-
lichen Gesichtspunkt, daß sie unter gar kein Strafgesetz oder unter ein anderes als
das angerufene falle. Allein nur sehr selten wird eine solche Abweichung von
der Anklage lediglich auf Verschiedenheit der juristischen Beurtheilung eines
völlig gleichen Sachverhaltes beruhen. Fast immer wird hinzutreten, daß
ein Theil der ausdrücklichen oder durch Hinweisung auf einen bestimmten Delikts-
begriff ausgedrückten thatsächlichen Behauptungen der Anklage sich vor den Augen des
erkennenden Gerichtes nicht bewährte, oder daß letzteres Thatumstände vorfindet,
welche die Anklage nicht berücksichtigte und die nach seiner Auffassung die strafrecht-
liche Natur der Sache ändern; oder es kann Beides vereint eintreten. Die Be-
fugniß des Gerichtes, im U. seiner auf diese Art gewonnenen Ueberzeugung freien
Ausdruck zu geben, wird man nicht bestreiten, sobald man anerkennt, daß
nicht die Anklage das positive und die Hauptverhandlung das negative Material
des Urtheils zu bilden habe, sondern umgekehrt, — daß das Gericht die ihm
durch die Anklage gestellte Aufgabe, einen bestimmten Vorfall in thatsächlicher
und juristischer Hinsicht zu beurtheilen, auf Grund der Hauptverhandlung zu lösen
hat, allerdings jedoch ohne erstere zu überschreiten, ohne also seiner Beurtheilung
eine That zu unterstellen, auf welche die Anklage sich nicht bezog, oder Thatum-
stände heranzuziehen, welche auf die Beurtheilung des Gegenstandes der Anklage
keinen Einfluß üben. "„
Diese Grundsätze haben in unseren StrafP O. volle Anerkennung gefunden.
„Ueber das Ergebniß der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien,
aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Ueberzeugung“ (Deutsche StrafP O.
§ 260). „Das Gericht ist an diejenige Beurtheilung der That, welche dem Be-
schlusse über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu Grunde liegt, nicht gebunden“
(das. § 263 Abs. 2). „Erachtet der Gerichtshof, daß die der Anklage zu Grunde
liegenden Thatsachen an sich oder in Verbindung mit den erst in der Hauptver-
handlung hervorgetretenen Umständen eine andere als die in der Anklage bezeichnete.
strafbare Handlung begründen, so schöpft er . das Urtheil nach seiner rechtlichen
Ueberzeugung, ohne an die in der Anklageschrift enthaltene Bezeichnung der That
gebunden zu sein“ (DOesterreichische StrafPH O. § 262). Vermöge dieser Grundsätze
kann also das U. dahin gelangen, die dem Angeklagten zur Last gelegte That auf
eine höhere oder tiefere Stufe in derselben Klasse strafbarer Handlungen zu stellen
oder sie auch unter einen ganz andern Deliktsbegriff zu bringen. Doch erleidet
diese Befugniß Einschränkung aus einem dreifachen Gesichtspunkt:
1) Es kann sich zeigen, daß die That unter den Gesichtspunft gebracht, welchen
das Gericht für den richtigen hält, seine Machtbefugniß überschreitet. Es liegt in
der Natur der Sache, daß das Gericht sich in solchem Falle auf diesen Ausspruch,
welcher in der Regel die Form der Inkompetenzerklärung annehmen wird,
manchmal aber auch (bei absoluter Inkompetenz) den Abbruch des Strafverfahrens
und die Unzulässigkeit seiner Fortsetzung enthält (s. oben 1), beschränken muß. Die
Gesetze waren übrigens bemüht, die Nothwendigkeit solcher Beschlüsse möglichst fern
zu halten. So kann eine aus der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung her-
vorgegangene Aenderung der thatsächlichen Voraussetzungen, welche die örtliche Kom-
petenz begründen, keinen Einfluß üben. Ebenso ist das Gericht berechtigt, die Sache
zu Ende zu führen, obgleich sie vermöge seiner Auffassung derfelben eigentlich vor
ein Gericht niederer Ordnung gehört hätte. — Außerdem sind die Schöffen-
gerichte (s. diesen Art.) noch durch Spezialbestimmungen ermächtigt, gewisse Straf-
sachen abzuurtheilen, welche, wären sie in ihrer wahren Beschaffenheit früher erkannt