Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

990 Urthell. 
daß der Angeklagte wegen einer strafbaren Handlung zu verurtheilen sei, bezüglich 
welcher die Strafgewalt einem Gerichte höherer Ordnung zukommt. In diesem Falle 
hat das Gericht sich der Aburtheilung über die That zu enthalten, zugleich 
aber bezüglich derselben — der ihr von ihm beigemessenen juristischen Natur gemäß 
— die Verrichtungen vorzunehmen, welche mit der Fassung des Beschlusses auf 
Eröffnung des Hauptverfahrens zusammenhängen. 
Aus diesen Grundsätzen folgt zunächst, daß in erster Linie das Gericht sich die 
Ueberzeugung zu verschaffen hat, daß es ihm nicht möglich sei, seiner primären 
Aufgabe definitiver Erledigung der Anklage gerecht zu werden. Abgesehen von 
allem Anderen hat der Angeklagte, zumal wenn er in Haft ist, ein Recht auf so- 
fortige Austragung der Sache und ein sehr großes Interesse daran, daß er nicht 
durch längere Zeit noch hingehalten und von Gericht zu Gericht geschleppt werde. 
Bloße Möglichkeiten, bloße Behauptungen sei es faktischer, sei es rechtlicher Natur 
können das Gericht der hieraus erwachsenden Pflicht, seiner formell bereits begrün- 
deten Zuständigkeit nicht entkleiden; es hat also die Sache soweit aufzuklären und 
zu führen, daß es sich eine bestimmte Meinung über die Statthaftigkeit der faktischen 
und rechtlichen Behauptungen bilden kann, vermöge welcher die That unter den 
Gesichtspunkt eines seine Zuständigkeit überschreitenden Deliktes fallen soll. Ueber- 
zeugt es sich, daß die That nicht begangen ist, daß sie dem Angeklagten nicht zur 
Last gelegt werden kann, daß die Umstände nicht vorhanden sind, welche die Unter- 
ordnung unter einen anderen Deliktsbegriff begründen, so hat es in der Sache selbst 
das U. ebenso zu fällen, wie wenn es einen angeregten rein juristischen Zweifel nicht 
sich anzueignen, die Behauptung nicht als richtig anzuerkennen vermag, daß die 
That (unverändert so angenommen, wie dies im Beschluß auf Eröffnung des Haupt- 
verfahrens geschah) unter einen anderen Deliktsbegriff falle. Es ist nicht richtig, 
daß es über Hypothesen dieser Art deshalb nicht urtheilen dürfe, weil es nicht zu- 
ständig wäre, über eine in gehöriger Form erhobene Anklage wegen jenes schwereren 
Verbrechens zu urtheilen. Eine solche Anklage ist eben nicht da und im Gegen- 
theile eine formell aufrecht stehende, unter seine Zuständigkeit fallende Anklage noch 
zu erledigen. Dieser seiner Zuständigkeit müßte es, wäre der Satz richtig, daß ihm 
ein auch negativer Ausspruch schon über die nur in Frage gestellte schwerere, strafbare 
Handlung gar nicht zukomme, die bloße Anregung- der Rechtsfrage allein schon ent- 
kleiden, also die bloße als unhaltbar von ihm sofort erkannte Behauptung genügen, um 
die Hauptverhandlung zum Stillstande zu bringen. Ueberdies ist der ergehende Be- 
schluß ja kein blos negativer: die Deutsche Strasp O. mißt ihm geradezu die Be- 
deutung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses bei; insofern ist das er- 
kennende Gericht mit der Sache doch mindestens in demselben Maße befaßt, wie das 
das Hauptverfahren eröffnende; und da dieses jedenfalls berechtigt ist, seiner Ueber- 
zeugung vom Nichtvorhandensein der thatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen 
der Verurtheilung wegen des nun in Frage kommenden Verbrechens durch einen 
Spruch Ausdruck zu geben, welcher der Hauptsache nach die Freisprechung enthält, 
so kann diese Befugniß dem Gericht in der Hauptverhandlung wol auch nicht ab- 
gesprochen werden. Der von einer Seite angeregten künstlichen Theilung seiner Funktion, 
vermöge deren es auch den negativen Ausspruch nur in der Form des definitiven 
Einstellungsbeschlusses (Straf# O. § 202) fällen sollte, sei damit nicht das Wort 
geredet; der bloße Vortheil der Erleichterung der Wiederaufnahme, der daraus ab- 
geleitet wird, vermag nichts daran zu ändern, daß sich die Sache bereits im 
Stadium der mündlichen Hauptverhandlung befindet, und daß eine definitiv durch 
U. zu erledigende Anklage vorliegt, während die Voraussetzung, unter welcher allein 
das U. unterbleiben kann, ja eben durch den vorgeschlagenen „Beschluß" verneint 
werden soll. Ueberall also, wo die Sache so liegt, daß das Gericht, hätte es über 
die Eröffnung des Hauptverfahrens bezüglich des schweren Deliktes zu berathen, diese 
nicht beschließen würde, fällt es das U. in der Sache, ohne sich durch die auf- 
 
	        
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