814 Strampff — Strandrecht und Strandungsordnung.
(herrschende) Ansicht muß cum grano salis verstanden werden, da es einen „mittleren“
oder „Normalfall“ bei Verbrechen nicht giebt. (Eigenthümliche Ansichten stellt
neuestens Medem auf.) Die S. darf der Richter natürlich nicht zählen, sondern
muß sie abwägen. — Ist in einem Gesetz eine alternative Strafdrohung enthalten, so
wird der Richter bei der Wahl im einzelnen Fall sorgfältigst prüfen müssen, welche
der beiden Strafarten für den vorliegenden Fall mit Rücksicht auf alle S. passend
ist. Nach § 20 des Deutschen StrafcB. darf, wo das Gesetz die Wahl zwischen
Zuchthaus und Festungshaft gestattet, auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn
festgestellt wird, daß die strafbar befundene Handlung aus ehrloser Gesinnung ent-
sprungen ist. Richtiger bestimmen die Oesterreichischen Entwürfe, daß unter solcher
Voraussetzung auf Zuchthaus erkannt werden muß.
Lit. u. v sab.: v. emann, N. A. 1849, S. 528 ff. — Baumeister, Bemerkungen
zur Strafgesgb. 1847, ff. — Möiler, Ueber das Strafmaß, 1848; Derselbe, Kritik
bes Strafma es, %5 — A#er, Allgem, uil. Stpeerchtsgis 1864. 65; Derselbe in
d. Lelhendofe s Handb. II. 556 571 ff 09 ff. — Medem, Gerichtss. 1874,
590 ff. — Preußen: § 18 (und! rd. I. Entw. *57 — Deutsches“ Strafe#B. 20.
— Oesterreich: §§8 489—53; Entw. I. § 14; II. § 13. Geyer.
Strampff, Heinr. Leopold von, 5 18. VII. 1800 zu Berlin, wurde
1826 Justizrath beim Stadtgericht, 1832 Rath beim Kammergericht, 1840 Vize-
präsident zu Münster, 1843 in Naumburg, 1845 am Kammergericht, 1846 Präsident,
1870 Wirklicher Geheimer Rath und Excellenz, ; 20. IV. 1879.
Er gab mit A. H. Simon, Rechtssprüche der Preuß. Gerichtehöfe, Berlin 1830 ff.
beraus ferner Entscheid. des Ober- Tribunals, Berl. 1837 ff.; Goßler's allg. Rechts-
wahrheiten, Berl. 1826. 1842; Zeitschr. für wissensch. Balsbeith, des Preuß. Rechts, Berlin
1828 ff. — schrieb: Krit. Briefe über den Entwurf Rees Strafgesetzbuchs für die Preuß.
Staaten, Berl. 1844. — Luther über die Ehe, Berl. 185
Lit.: Sonnenschmidt, Gesch. des Kgl. OTrib., Verl. 1879. — v. Holtzendorff,
Handb. d. Deutschen Strafrechts (1871), I. 96. Teichmann.
Strandrecht und Strandungsordnung. Das S. (ius naufragü) war
das Aneignungsrecht, welches die Küsten und Uferstaaten, anderwärts die Küsten-
bewohner sich in Bezug auf gestrandete Schiffe und Schiffsgüter beilegten. Das
S. im weiteren Sinne umfaßte auch das sogen. Grundruhrrecht (ius laganum),
welches sich auf die Zueignung der auf die Flußufer ausgeworfenen oder angespülten
Gegenstände bezog. Geschichtlich hat man das S. damit zu erklären versucht, daß
der Herr eines Bezirkes vermöge der nach Germanischer Rechtsanschauung ihm zu-
stehenden Gewere ein angebliches Recht besessen habe, sich die innerhalb desselben
befindlichen Mobilien anzueignen. Diese Ansicht ist unhaltbar. Vielmehr hat man
die historische Wurzel des S. in der Auffassung zu suchen, daß der Fremde recht-
los und demnach sein Gut herrenlos sei, wie denn in der That das S. mitunter
auch die Verknechtung der Schiffbrüchigen in sich schloß. Schon früh machte sich
in Deutschland die Ueberzeugung von der Verwerflichkeit dieses Raubrechts geltend.
Nachdem der Gebrauch des S. bereits mehrfach gerügt worden, wurde er durch ein
Reichsgesetz aus der Zeit König Wilhelm's, die Sententia de bonis naufragantium
von 1255, ausdrücklich untersagt. Das Verbot hatte keinen durchgreifenden Erfolg.
Wirksamer war die Gesetzgebung des 16. Jahrh. Die Constitutio Criminalis Ca-
rolina verpönte den Mißbrauch, daß ein schiffbrüchiger Schiffmann der Obrigkeit
des betreffenden Ortes mit Schiff, Leib und Gütern verfallen sein sollte. Aber-
mals wurde die Ausübung des S. durch den Reichsabschied von 1559 § 35 ver-
boten. Wo es sich trotzdem noch durch längere Zeit erhielt, trat doch gewöhnlich
insofern eine Milderung ein, als das Strandgut zwischen dem Eigenthümer, dem
Landesherrn und dem Finder gedrittheilt wurde.
Das Preuß. Allg. LR. machte sich zwar das Prinzip des S. eigen, indem es
den Staat als Eigenthümer des Strandgutes betrachtet; zugleich jedoch erklärt es,