Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1008 Bäterliche Gewalt. 
kontrovers, ob die Gewalt des Vaters über ihn auch ohne die Trennung erlosch:; 
für die Bejahung: Kraut, Vormundschaftsrecht, II. 597; Buntschli, Deutsches 
Privatrecht, 2. Aufl. S. 500; für die Verneinung: Stobbe, Beiträge zur Ge- 
schichte des Deutschen Rechtes, S. 1—24; Beseler, System des Deutschen Privat- 
rechtes (3. Aufl.), I. S. 287. — Mit der Rezeption des Römischen Rechtes wurden 
auch dessen Sätze über die v. G. in Deutschland geltendes Recht (vgl. Kraut a. a. O. 
S. 618, N. 1); es erhielt sich aber daneben nicht blos der Begriff der väter- 
lichen Vormundschaft (vgl. Seuffert, Archiv XV. Nr. 113), sondern es wurde 
auch deren Beendigung auf das Institut der v. G. in der Art übertragen, daß man 
diese durch die vom Willen des Vaters unabhängige Begründung eines selbständigen 
Haushaltes, separata oeconomia, erlöschen ließ: sog. emancipatio sakonica, tacita; 
streitig: ob und unter welchen Voraussetzungen auch der minderjährige Sohn 
auf diese Weise aus der v. G. trete?! (vgl. Kraut a. a. O. S. 644 ff.). Töchtern 
gegenüber erlischt gemeinrechtlich die v. G. durch deren Verheirathung (anders nach 
Preußischem Allg. LR. II. 2 §§ 228, 230, zum Theil auch nach dem Oesterreichischen 
BGB. 8 175); ob auch durch Begründung eines eigenen Haushaltes, ist gleichfalls 
bestritten: Kraut a. a. O. S. 658 und die das. N. 25 u. 26 Citirten. — Ver- 
schieden verhalten sich zu dieser Art der Beendigung der v. G. die neueren Gesetz- 
gebungen: eine Sächsische Konstitution von 1572 verlangte neben der Begründung 
eines eigenen Haushaltes Mündigkeit des Kindes; ebenso das Württembergische LR. 
von 1610 Th. II. Tit. 18 § 7; das Bayerische LK. von 1616 verlangte zudem 
noch „Bewilligung des Vaters oder väterlichen Ahnherrn", welch letzteres Erforderniß 
aber durch den Cod. Max. Bav. I. 5 § 7 dahin modifizirt wurde, daß dem voll- 
jährigen (25 Jahre alten) Kind die Bewilligung regelmäßig ertheilt werden muß; 
nach dem Preußischen Allg. LR. II. 2 §§ 211—214 kann der minderjährige Sohn 
unter 20 Jahren nicht einmal mit Einwilligung, der Sohn zwischen 20 und 25 
Jahren nur mit Einwilligung des Vaters aus dessen Gewalt treten, der volljährige 
Sohn, der sich ohne Unterstützung des Vaters ernähren kann, die Entlassung aus 
der v. G. fordern, wofern nicht die Voraussetzungen der Entmündigung wegen Ver- 
schwendung zutreffen. — Das Oesterreichische BGB. 88§ 172, 173 läßt die v. G. 
regelmäßig mit erreichter Volljährigkeit (24. Jahr) des Sohnes erlöschen, vorher 
durch Errichtung eines eigenen Haushaltes nur bei einem Alter von 20 Jahren 
und Einwilligung des Vaters, — der Code civ. (art. 372) entweder durch Er- 
reichung der Volljährigkeit oder durch frühere Emanzipation, worüber die art. 476 
bis 478 nähere Vorschriften geben, — das Sächsische BGB. 88 1831—1833 ent- 
weder durch Entlassungserklärung oder durch Begründung (bei volljährigen Söhnen), 
bzw. Gestattung (bei Minderjährigen) eines eigenen Haushaltes, in beiden Fällen 
bei Minderjährigkeit unter Zuziehung eines curator ad hoc. Andere Gesetzgebungen: 
Zürich §§ 275, 276, 422; Solothurn §§ 478, 479; Italien art. 310—321. — 
De lege ferenda hat sich neuerdings der XII. Deutsche Juristentag einstimmig dahin 
ausgesprochen, daß die v. G. (spätestens) stets mit der Großjährigkeit des Hauskindes 
erlöschen solle: Verhandlungen, Bd. I. S. 158, 268; Bd. II. S. 82 ff. — Bezüglich 
der fast allein praktischen (vgl. hierüber Kraut a. a. O. S. 643 N. 1) Deutsch- 
rechtlichen Aufhebung der v. G. ist streitig, was hierzu erforderlich sei: ob förmliche 
Anlegung eines eigenen Haushaltes, eigener Gewerbebetrieb oder bloße Absonderung 
vom väterlichen Haushalt mit Aufhören der Alimentation, bzw. selbständiger Er- 
werb des Lebensunterhaltes selbst ohne äußerliche Trennung vom Haus des Vaters; 
für ersteres namentlich die älteren Juristen (s. die Citate bei Kraut a. a. O. 
§ 110 N. 9), für letzteres mit durchschlagenden Gründen Kraut, a. a. O. S. 657, 
sowie v. Gerber, System des Deutschen Privatrechtes, § 242; die Praxis klebt zum 
Theil noch an der Römisch-rechtlichen Auffassung; vgl. Seuffert, Arch. XXVI. 
Nr. 138 (Opp.Ger. Celle), 3. Th. XV. 20 (Wolfenbüttel).
	        
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