1010 Vaͤterliche Gewalt.
Der Einfluß der v. G. auf die vermögensrechtlichen Bezieh'ungen war
im klass. Römischen Recht ein äußerst weitgehender, wurde indeß schon in der spätern
Kaiserzeit abgeschwächt und ist im heutigen Recht zu Folge der prinzipiell veränderten
Bedeutung der v. G. ein verhältnißmäßig unbedeutender. — Das Hauskind war
nach klass. Römischen Recht zwar nicht rechtsunfähig, wie der Sklave, aber doch
vermögensunfähig. Als Grund der Vermögensunfähigkeit wurde früher gewöhnlich
die Personeneinheit zwischen Hausvater und Hauskind genannt (so noch von Kraut,
a. a. O. § 109; dagegen Mandry, Familiengüterrecht, I. S. 33 ff.). Der
Grund lag vielmehr unmittelbar im Wesen der väterlichen oder hausherrlichen Ge-
walt, kraft deren alles Vermögen und aller Erwerb sich im Hausherrn konzentrirte:
patrimonium — Vermögen des Hausvaters; keine Mitberechtigung der Hauskinder,
auch kein prokuratorisches Eigenthum des Hausvaters (Brinz, Pandekten, S. 1177 ff.;
dagegen Mandry a.—a. O. S. 10 ff.). — Das Hauskind ist nach Römischem Recht
handlungsfähig, es ist fähig zu erwerben und sich zu verpflichten; allein was es er-
wirbt, erwirbt es nach klass. Recht nicht für sich, sondern für den Hausvater, während.
es durch Eingehung von Verbindlichkeiten nur sich, nicht den Hausvater verpflichtet.
Unmöglich waren nach dem die v. G. beherrschenden Prinzip vertragsmäßige Ver-
bindlichkeiten zwischen Hausvater und Hauskind, sowie zwischen den durch dieselbe
v. G. verbundenen Personen. — Sowol die Vermögensunfähigkeit als die Be-
schränkung der Wirkung vertragsmäßiger Verbindlichkeiten des Hauskindes auf dessen
Person wurde im Lauf der Zeit sehr modifizirt, erstere nicht sowol durch die Ein-
räumung eines peculium seitens des Vaters (peculium profectitium), welches blos
thatsächlich Vermögen des Kindes, rechtlich Vermögen des Vaters war, als durch
die Ausbildung des peculium castrense, qduasi castrense und adventicium (vgl.
hierüber d. Art. Peculium); — letztere durch die theils mit der Einräumung
eines peculium (prof.) zusammenhängende, theils von ihr unabhängige Anerkennung
der Möglichkeit, daß unter gewissen Voraussetzungen Verbindlichkeiten des Kindes
wirksam gegen den Vater geltend gemacht werden können: actio de peculio und
A. tributoria, a. de in rem verso, a. quod jussu. Andererseits wurde die ursprüngliche
Verpflichtungsfähigkeit wesentlich beschränkt durch das 8C. Macedonianum, welches
dem einem Hauskind gegebenen Darlehn die Klagbarkeit entzog, während die ur-
sprüngliche in der alternativen Verpflichtung zum Schadensersatz oder zur noxae de-
ditio enthaltene Haftung des Vaters für Delikte des Hauskindes mit der noxae de-
ditio erlosch. Zu vgl. über all dies die sehr ausführliche Darstellung bei Mandry
a. a. O. Bd. I. und II. — Im heutigen Recht ist der größte Theil der Römisch-
rechtlichen Bestimmungen über die vermögensrechtlichen Folgen der v. G. antiquirt
oder unpraktisch, einmal weil die Zahl der volljährigen Hauskinder eine sehr
kleine ist, sodann weil sich trotz der Rezeption des Römischen Rechtes die Deutsch-
rechtliche Anschauung von der Vermögensfähigkeit der Hauskinder erhalten hat.
Fälle der Anwendung der actio de in rem verso und a. quocd jussu, insbef. auf
die von einem studirenden Sohn kontrahirten Schulden, s. bei Seuffert Arch. EK.
Nr. 305 und 306, XXV. 275. — Aus der Vermögensfähigkeit des Hauskindes
ergiebt sich auch die Statthaftigkeit von Verträgen, insbes. Schenkungen zwischen
Hausvater und Hauskind, bzw. den durch dieselbe v. G. verbundenen Hauskindern,
von der Praxis, wenn auch nicht rückhaltlos, anerkannt (vgl. Kraut a. a. O.
§§ 103 ff.; Seuffert, Arch. XIV. Nr. 44, XV. 30, XIX. 160, XVII. 255,
XXVI. 238, XXVII. 38); — und nur eine Konsequenz jener Fähigkeit ist die Ver-
neinung der Möglichkeit eines peculium prokect. für das heutige Recht durch Kraut
(a. a. O. S. 640); dagegen Seuffert (XXVII. 38). Aus der Möglichkeit von
Verträgen zwischen Vater und Kind folgt auch die Möglichkeit von Dienstverträgen,
von Vereinbarung eines dem Hauskind für Unterstützung des Vaters im Gewerbe 2c.
zu zahlenden Lohnes; ohne Vereinbarung erwirbt dagegen durch solche Dienste das
Hauskind nicht für sich, sondern für den Vater; vgl. Preußisches Allg. LR. II. 2