Verbrechen der Religionsdiener. 1013
gabe der Sache noch der Veräußerer das versprochene Entgelt beanspruchen kann.
Freilich geht damit Hand in Hand ein Recht des Erwerbers, das von ihm auf
Grund des Vertrages Geleistete zurückzufordern (condictio ob injustam causam), für
den gutgläubigen Erwerber aus einem entgeltlichen Geschäft zuweilen ein Anspruch
auf das Erfüllungsinteresse.
4) Das V. kann auch Ersitzungsunfähigkeit der Sache begründen. Ob nach
Gemeinem Recht ist bestritten. Ueber Preuß. Recht vgl. LR. I. 9 8§ 581, 582.
FIV. Partikularrechte mit Grundbuch= oder Hypothekenbuchverfassung machen in
Ansehung von Grundstücken die Wirkung des V. gegen (gutgläubige) Dritte von der
Eintragung im öffentlichen Buch abhängig (Bayrisches Hypothekengesetz § 22 Nr. 5;
Sächsisches BG . § 224). Der oft aufgestellte Satz, daß allen V. durch die Ein-
tragung in das Grund= oder Hypothekenbuch dingliche Wirkung verschafft werden
könne, ist keineswegs für alle Gesetzgebungen richtig (z. B. nicht für das Bayerische
Recht).
Lit.: Lauk in der Zeitschr. f. Cipilrecht u. Praz. Bd. V. Abh. 1 (1841). — Bachofen,
Ausgewählte Lehren des Civilrechts Nr. 2—6 (1848). — Schröder, Zur Lehre von den
gesetzlichen Veräußerungsverboten (1875). — Brinz (2. Aufl.), § 1 34. — v. Vangerow,
8 299. — Windscheid, § 172 a. — Dernburg, Preuß. Fs e. I. 88 80, 146.
F. Regelsberger.
Verbrechen der Religionsdiener (Kirchenamtsvergehen). Als Religions-
diener sind alle diejenigen zu bezeichnen, welche solche wesentlichen Handlungen (nicht
rein mechanischer Natur) zu vollziehen haben, die der Zweck des betreffenden
Religionsbekenntnisses erfordert. Religionsdiener ist ein umfassenderer Begriff als
„Geistlicher“; wol alle Geistlichen sind Religionsdiener, aber nicht alle Religions-
diener Geistliche. Unter einem Geistlichen ist vielmehr nur derjenige zu verstehen,
welcher „in einer christlichen, öffentlich ausgenommenen Kirchengemeinde zum Unter-
richt in der Religion, zur Besorgung des Gottesdienstes und Verwaltung der Sakra-
mente bestellt ist.“ Der Begriff „Diener einer Kirche oder Religionsgesellschaft“ in
§ 5 des Preußischen Gesetzes vom 13. Mai 1873 bedeutet dasselbe wie Religions-
diener und ist nur aus sprachlichen Gründen gewählt. Und der Begriff „Kirchen-
diener“ (z. B. in § 1 des Preußischen Gesetzes vom 12. Mai 1873) umfaßt auch
die Religionsdiener; vgl. über die erwähnten Begriffe bes. Hinschius, Die Preuß.
Kirchengesetze des Jahres 1873, S. 30 ff., 42 ff.
I. Auf die Religionsdiener bzw. nur auf Geistliche ist im Reichsstrafrecht in
folgenden Fällen Rücksicht genommen:
1) Kanzelmißbrauch. Für den Mißbrauch der in neuerer Zeit mit dem
geistlichen Amte getrieben wurde, erwiesen sich die Bestimmungen des RStrafGB.,
namentlich auch die §§ 130 und 131, nicht als ausreichend. In Folge dessen
wurde zunächst durch das Reichsgesetz vom 10. Dezember 1871, als § 130 a dem
Rötraf GB. einverleibt, eine wesentliche Lücke in dem letzteren ausgefüllt. Hiernach
ist der Religionsdiener zu bestrafen, welcher Angelegenheiten des Staates in einer
den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung
oder Erörterung macht, und zwar entweder a) in Ausübung oder in Veranlassung
der Ausübung des Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge oder b) in einer
Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor
Mehreren. Das Gesetz will den Religionsdiener nicht nur treffen, wenn er Amts-
handlungen mißbraucht, sondern auch, wenn er, ohne eine Amtshandlung vorzunehmen,
aber durch eine solche veranlaßt, in der obigen Weise thätig ist. Ursachlicher Zu-
sammenhang zwischen der Amtshandlung und der Erörterung, zu welcher sie Ver-
anlassung gegeben hat, ist nicht erforderlich. Wegen des Einflusses, den die
Religionsdiener auf das Volk schon durch ihre Stellung ausüben, mußte die Straf-
barkeit auf Handlungen, bei welchen der Religionsdiener als solcher nichts zu
schaffen hat, ausgedehnt werden. Das obige Verbot gegen den Mißbrauch der