1026 Verfolgungsrecht — Vergiftung.
Verfolgungsrecht (Th. I. S. 545) ist ein in vielen Rechten anerkanntes
Separationsrecht, welches dem wegen des Kaufpreises nicht befriedigten Absender einer
Waare (Verkäufer oder Einkaufskommissionär) bei eingetretener Insolvenz des
Käufers zusteht. Dasselbe kommt in den verschiedenen Rechten in zwei Formen
vor. Nach der einen kann der Absender die Auslieferung der auf dem Trans-
port befindlichen Waare (mittels anderweitigen Konnossements, gegentheiliger An-
weisung an den Schiffer, Arrestlegung) verhindern (right of stoppage in
transitu, auch Hemmungerecht genannt); nach der anderen darf er sogar die
kurz vor der Konkurseröffnung dem Käufer ausgehändigte Waare zurückfordern
(droit de suite, V. im engeren Sinne). Diese Formen sind in den verschiedenen
Rechten entweder neben einander anerkannt, oder es wird nur die eine oder die
andere zugelassen, zumeist die erstere allein, so in England, Frankreich, jetzt auch
im Deutschen Reich. Das V. cessirt, wenn die Gläubigerschaft den rückständigen
Kaufpreis bezahlt. Ebenso kann es nicht ausgeübt werden, sobald ein Dritter vor
Eintritt des Insolvenzfalls im guten Glauben an den Waaren Eigenthum oder
Pfandrecht erworben hat. Wogegen in diesem Fall das V. nach manchen Rechten —
freilich nur, soweit dies zur Befriedigung des Absenders erforderlich ist — auf die
noch ausstehende, zuweilen sogar auf die bereits zur Masse eingezogene Gegen-
leistung geht.
Gsgb. u. Lit.: Voigt im Neuen Archiv für H.R. III. Nr. 10; IV. Nr. 7 u. 8. —
Goldschmidt, H.R., I. 2 S. 855—871 und die das. cit. Gesetze. — RKO. §§ 35, 38.
Lewis.
Vergiftung. Die in verbrecherischer Absicht erfolgende (Gem. Recht: heim-
liche) Beibringung von Gift (oder anderen gefährlichen Stoffen) ist sowol im Röm.
wie im German. Recht, jedoch unter verschiedenen Modalitäten (das erstere zieht
u. A. auch das Bereiten und Feilhalten von Gift hierher), durch strenge Straf-
bestimmungen ausgezeichnet worden. Hierfür gab theils die besondere Gefährlichkeit
der Handlung, theils die in ihr sich kundgebende Verwerflichkeit der Gesinnung,
theils, in christlicher Zeit, die Vorstellung, daß in der V. eine Art der auf einen
Bund mit dem Teufel gegründeten Zauberei gegeben sei, den Beweggrund ab. Mit
Rücksicht hierauf wendete man meist unabhängig davon, ob die Absicht auf Tödtung
oder blos auf Gesundheitsschädigung ging, und ohne Versuch und Vollendung zu
unterscheiden, die geschärften Strafen des Mordes an. Späterhin stufte die Praxis
und in der neueren Zeit die Gesetzgebung die Strafen nach der Verschiedenheit des
Erfolgs und der verbrecherischen Absicht ab. So unterschied Baden (das hier wie
häufig die reichhaltigsten Bestimmungen hatte) den Fall, wo die Absicht bestimmt
auf Tödtung, von dem, wo sie unbestimmt auf Tödtung oder Gesundheitsschädigung,
und von dem, wo sie nur auf letztere ging, und macht die Verschiedenheit des Ver-
brechenserfolgs zum Abstufungsgrunde innerhalb dieser Kategorien. Daneben ward
der fahrlässigen, den Tod oder eine Gefsundheitsstörung herbeiführenden V. gedacht.
Vgl. Württemberg und Hessen. Oesterreich kennt die V. nur als eine Spezies des
Meuchelmords. Das Rötraf GB. (vgl. Preußen und Bayern) zeichnet nur die auf
Gefundheitsbeschädigung gerichtete vorsätzliche VL. aus. Dabei wird der Schwer-
punkt in das „Beibringen“ der schädlichen Substanz gelegt. Mit demselben ist das
Delikt vollendet, die Anwendbarkeit des § 46 (über die thätige Reue beim Ver-
suche) daher ausgeschlossen. Das Delikt ist „Verbrechen“. Die Strafe wird nach
der Schwere der Folgen (schwere Körperverletzung, Tod) abgestuft. Tritt der Tod
ein, so kann auf lebenslängliche Zuchthausstrafe erkannt werden. Die Verfolgung
tritt, auch wenn nur eine leichte Gesundheitsstörung oder auch gar keine verursacht
wurde, von Amtswegen ein.
Besondere Bestimmungen finden sich meist in Betreff der gemeingefährlichen
vorsätzlichen und fahrlässigen V. von Gegenständen, wie insbesondere der Brunnen