Vergiftung. 1027
und Wasserbehälter und der zum öffentlichen Verkauf oder Verbrauch bestimmten
Waaren, bzw. in Betreff der Verbindung dieser letzteren mit gesundheitsschädlichen
Stoffen und des wissentlichen Verkaufs derartiger vergifteter oder gefälschter Gegen-
stände (vgl. hinsichtlich der wichtigsten hierhergehörigen Bestimmungen den Art.
Nahrungs= (und Genuß-) mittel-Verfälschung. — Endlich ist der
Strafbestimmungen zu gedenken, welche die Verletzung der auf den Handel, die
Aufbewahrung oder die Beförderung von Gift bezüglichen polizeilichen Vorschriften
zum Gegenstande haben. —
Schwierigkeiten hat fortwährend die Frage bereitet, was als „Gift“ zu be-
trachten sei. Die wissenschaftliche Untersuchung ergab, daß es absolutes (für alle
Organismen und unter allen Verhältnissen sich als solches bewährendes) Gift nicht
gebe. Man versuchte sich indeß gleichwol in genaueren Definitionen. Dabei
dürfte man über die Henke'sche nicht hinausgekommen sein, nach welcher als Gift
diejenigen im Organismus sich nicht wiedererzeugenden Substanzen betrachtet werden
sollen, welche selbst in kleinen Gaben in oder an den Körper gebracht ohne sicht-
bare mechanische Wirkung, Gesundheit und Leben beschädigen. Für die Jurisprudenz
aber ergab sich die Frage, ob es gerechtfertigt sei, die Beibringung von anderen
Stoffen, welche eine ähnliche Wirkung auf die Gesundheit hervorzubringen ver-
mögen, anders zu behandeln als diejenige von Gift, sowie die andere Frage,
ob die strengeren Bestimmungen über V. auch da zur Anwendung zu bringen
seien, wo zwar ein Stoff beigebracht wurde, welcher Gift heißt, bzw. unter die
wissenschaftliche Definition von Gift fällt, aber in einer Quantität, in welcher er
für die Gesundheit nicht gefährlich war. Beide Fragen dürften zu verneinen sein
und wurden auch vielfach (die erstere ausdrücklich durch die Gesetze selbst) verneint. —
Dem Rötraf G. gegenüber hat der wissenschaftliche Begriff des Gifts keine praktische
Bedeutung. Entscheidend ist nach ihm allein der Umstand, daß der bezügliche Stoff
„geeignet sei, die Gesundheit zu zerstören“. Die Feststellung dieser Eigenschaft liegt
den Geschworenen nach Anhörung der Sachverständigen ob. Dieselbe muß in con-
creto als vorliegend erscheinen, d. h. der betreffende Stoff muß in einer Ouantität
und unter Verhältnissen angewendet worden sein, in welchen er eine die Gesundheit
zerstörende Wirkung zu entfalten pflegt. Dabei wird das „Zerstören“ zu urgiren
und von bloßem Benachtheiligen zu unterscheiden sein. Eine zerstörende Wirkung
kann aber auch von solchen Stoffen ausgehen, welche nur mechanisch wirken (anderer
Meinung Hälschner, Oppenhoff, v. Schwarze).
Ueber das Verfahren in Fällen muthmaßlicher Vergiftung finden sich in den
Prozeßordnungen oder in besonderen Verordnungen eingehendere Bestimmungen.
Gsgb.: RStraf GB. §§ 229; 324—326; 367, 1, 3, 5. — Gesetz betr. den Verkehr mit
Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai 1879. — Oester-
reich § 135, 1. — Ungarn § 309. — Frankreich art. 301, 2; 317 (Ges. von 1832,
art. 75). — Belgien art. 397.
Lit.: v. Holtzen dorff's Handb. III. S. 556—564, IV. 383 ff. (Geyer); III. 498—
503 (Liman). — Gengler, Die strafrechtliche Lehre vom Verbrechen der V., 1842. — Auf-
sätze in Goltdammer's Archiv. — Mair, Jur.-med. Kommentar, III. S. 212—310.
A. Merkel.
Vergiftung (med.-for.). Alle Versuche, eine genaue und auf alle Fälle
passende Definition des Begriffes „Gift“ zu geben (vgl. oben), müssen als mißlungen
angesehen werden; die sämmtlichen, im Einzelnen sehr von einander abweichenden Be-
griffsbestimmungen genügen weder in wissenschaftlicher Beziehung, noch entsprechen sie
den Bedürfnissen der praktischen Jurisprudenz. Die wol am häufigsten citirte und
verwerthete Definition: „Gift ist ein Stoff, der geeignet ist, auch in kleiner Dosis
durch seine chemische Beschaffenheit die Gesundheit zu zerstören“, muß als durchaus
ungenau bezeichnet werden. Zunächst, was ist eine kleine Dosis, wo ist die Grenze
zwischen groß und klein!? Dann, warum sollen Stoffe, die wie z. B. die Salze
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